Hämatologische Ausbildung in der Veterinärmedizin : ein fallbasierter Ansatz zur digitalen Vermittlung klinischer Fertigkeiten
Die Integrierung digitaler Lehrformate in die moderne universitäre Lehre nimmt in verschiedensten Fachbereichen stetig zu. In der veterinärmedizinischen Ausbildung zeigt sich, dass das Erlernen praktischer Fertigkeiten gleichzeitig eine wichtige Rolle für spätere Berufsqualifikationen spielt. Ziel dieser Arbeit war es, das Beispiel eines digitalen Formats in der hämatologischen Lehre anhand virtueller Blutausstriche vorzustellen und so oben genannte Aspekte zu adressieren. Dabei sollten Nutzbarkeit und Akzeptanz unter den teilnehmenden Studierenden analysiert, spezifische Schwierigkeiten auf die vorgestellten Blutzellen bezogen herausgearbeitet, und das Potential des Formats durch Übertragung auf exotischere Tierspezies aufgezeigt werden. Letzteres sollte durch die detaillierte hämatologische Aufarbeitung eines besonderen Falls bei einem Vikunja tiermedizinisch erweitert werden. Im ersten Teil der Arbeit (Manuskript I) konnte die Auswertung von 190 vollständig bearbeiteten Datensätzen von insgesamt 247 teilnehmenden Studierenden des Wintersemesters 2021 anhand des analysierten Zeitaufwandes während der Differenzierungsaufgaben, der Anzahl der Bearbeitungsversuche und der Verbesserungen in den Ergebnissen von Fall 1 zu Fall 10 eine gute Gewöhnung an das Format verdeutlicht werden. Die Studierenden differenzierten 1033 mittels Mikroskopkamera aufgenommene Zellbilder in 1000-facher Vergrößerung im Verlauf von 10 erstellten klinischen Fällen an verschiedenen Säugetier-Patienten. Die sehr unterschiedlichen Bearbeitungszeiten zeigen auf, dass eine Flexibilisierung der Aufgabenbearbeitung als vorteilhaft anzusehen ist. Unterstützt wurde dies durch die Bearbeitungsmöglichkeiten im eigenen Tempo. Die von 78 % der teilnehmenden Studierenden ausgefüllten freiwilligen Feedbacks ergaben eine große Akzeptanz des Formats, wobei 89 % der freien Kommentare positive Aussagen in Bezug auf das Modul enthielten. Konkrete Verbesserungsvorschläge thematisierten technische Aspekte und Anpassungen des Schwierigkeitsgrades. Das vorgestellte Modul auf der Moodle-Lernplattform stellt ein Beispiel dafür dar, wie Interesse von Studierenden durch die Integration von digitalen klinischen Fallbeispielen trotz vieler nötiger Wiederholungen von Zellmorphologien erhalten bleiben könnte. Im zweiten Teil (Manuskript II) wurden die Ergebnisse der Leukozytendifferenzierungen detaillierter untersucht, indem die Berechnung des Schwierigkeitsindex (SI) für jeden Zelltypen durchgeführt wurde. So konnten unterschiedliche Schwierigkeitslevel bezogen auf die verschiedenen Leukozytenklassen dargestellt werden. Dabei hat sich gezeigt, dass Zellklassen, die häufig dargestellt wurden, insgesamt auch bessere Ergebnisse erzielten. Die Schwierigkeit stellte sich insgesamt mit einem SI-Mittelwert von 0,95 (± 0,09 SD (Standardabweichung)) als niedrig dar. Der Fokus der Lehrinhalte kann dementsprechend gezielt ausgerichtet werden, dies kann in einem digital erstellten Format im Vergleich zum Mikroskopieren realer Blutausstriche einfacher umgesetzt werden. Die Ergebnisse verdeutlichen jedoch auch, dass die morphologische Beurteilung ein hohes Maß an Präzision erfordert, was durch starre digitale Abbildungen allein möglicherweise nicht ausreichend erreicht werden kann. Ein hybrider Ansatz, der digitale Module mit traditionellen, praktischen Übungen am Mikroskop kombiniert, ist im zweiten Teil der Arbeit als Lösungsansatz gesehen, um Studierenden zusätzlich zu den Zellmorphologien auch das mikroskopische Handling zu lehren und so detaillierte Untersuchungsmethoden durch Veränderungen der Tiefenebene oder Belichtungseinstellung zu vermitteln. Die Integration exotischer Spezies in das im ersten und zweiten Teil vorgestellten Lehrformats wird im dritten Teil (Manuskript III) thematisiert. Ein repräsentatives Beispiel dafür ist der vorgestellte klinische Fall eines an einer Kupfervergiftung erkrankten Vicuñas, dessen artspezifische hämatologische Besonderheiten, eine Plattform im Lehrformat finden konnte. Dargestellt wurde zudem eine Spezies, deren manuelle hämatologische Untersuchungsmethoden bis heute eine wichtige Rolle spielen und so die Wichtigkeit des Erlernens dieser verdeutlicht wird. Die aus höheren Semestern freiwillig Teilnehmenden hatten in ihrem jeweiligen vergangenem 5. Semester bereits am Modul aus Manuskript I teilgenommen und waren dementsprechend an das Format gewöhnt. Die Bearbeitungsergebnisse sind als sehr gut einzustufen, auch wenn die Differenzierung selbst aufgrund einer niedrigeren Zell-Variation als grundlegend einfach in diesem Fall anzusehen ist. Es wird gezeigt, dass das Format Raum auch für spezielle Interessen zu exotischen Spezies bei einer zunehmenden Globalisierung der Tiermedizin bietet und so eine hämatologische Ausbildung auf demselben Niveau wie die Grundausbildung für die heimischen Spezies geleistet werden kann. Im vierten Teil der Arbeit (Manuskript IV) wird der tiermedizinische Hintergrund des im dritten Teil ausgewerteten klinischen Falles gegeben. Kupfer stellt ein essenzielles Spurenelement im Stoffwechsel von Säugetieren dar und spielt eine zentrale Rolle in verschiedenen metabolischen Prozessen – Eine Überdosierung kann jedoch zu schwerwiegenden Erkrankungen bis hin zu tödlichen Folgen führen, wie es im Fall des dargestellten Patienten thematisiert wurde. Es wird gezeigt, dass die hämatologischen Veränderungen im Vicuña durch die vorhandene Neutrophilie ohne hämolytische Auffälligkeiten des roten Blutbildes abweichend von den Befunden waren, die man in Fällen chronischer Kupfervergiftungen in Schafen als empfindliche Spezies beobachtet. Die klinischen Symptome zeigten sich als unspezifisch. Der Fall fiel durch seine Komplexität auf und stellte sich daher als hämatologischer Lehrfall als besonders dar. Insgesamt wird in dieser Dissertation deutlich, dass die Integration digitaler Lehrmethoden eine effektive und zukunftsorientierte Strategie für die veterinärmedizinische Ausbildung darstellt – besonders im Hinblick auf Bilddarstellungen bei neuesten Entwicklungen der automatisierten Bilderkennung in der hämatologischen Diagnostik. Die positiven Ergebnisse und das Interesse der Studierenden legen nahe, dass solche Lehrformate in vielen Bereichen der Veterinärmedizin Anwendung finden könnten, um die Ausbildung weiter zu modernisieren und zu verbessern. Jedoch ist zu beachten, dass das Erlernen mikroskopischer Fähigkeiten für präzise Zellbeurteilungen ebenso wichtig bleibt und anhand der digitalen Formate gegebenenfalls Vorauswahlen an Zellen getroffen werden – reale Blutausstriche stellen sich in diesen Fällen in der zukünftigen praktischen Tätigkeit der Studierenden als komplexer dar, was in der Lehre Beachtung finden sollte.
There is an increasing trend towards integrating digital teaching formats into modern university education across various disciplines. In veterinary education, the acquisition of practical skills still plays a significant role in ensuring future professional qualifications. The aim of this work is to present a digital format for haematological education using simulated blood smears, thereby addressing both mentioned aspects. The study aims to analyse the usability and acceptance of the format among participating students, to identify specific challenges related to the presented blood cells, and to explore the potential for expanding the format to include additional animal species. The latter was further underlined by the detailed haematological analysis of a special case involving a vicuña (Vicugna vicugna), which also served as a clinical case study that was integrated into the teaching format for students as a virtual patient. In the first part of the thesis (Manuscript I), the evaluation of 190 fully completed datasets from a total of 247 participating students during the winter semester of 2021 demonstrated good adaptation to the format. This was shown the analysis of time required for the differentiation tasks, the number of attempts, and improvements in results from Case 1 to Case 10. The students differentiated 1033 cells photographed microscopically at 1000-fold magnification across 10 clinical cases involving different mammalian patients with a haematological focus. The wide variation in task completion times indicated that flexible task pacing is beneficial, as supported by the option to work at one's own speed. Analysis of voluntary feedback, completed by 78% of the students, revealed a high level of acceptance, with 89% of the free comments providing positive feedback on the module. Specific suggestions for improvement related to technical aspects and adjustments to the difficulty level. The presented module on the Moodle learning platform is an example of how the integration of necessary routine into digital case studies can arouse clinical interest despite the repetitive nature of cell morphology tasks. In the second part of the thesis (Manuscript II), the results of the leukocyte differentiation were examined in more detail by calculating the Difficulty Index (DI) for each digitised cell image. This allowed the representation of varying difficulty levels across different leukocyte classes. It was shown that cell classes that were frequently presented generally achieved better results, with the overall difficulty rated as low, with a DI of 0.95 (± 0.09 standard deviation). The focus of the teaching content can thus be adjusted accordingly, which is easier to implement in a digitally created format compared to real blood smear microscopy. However, the results also illustrate that precise morphological assessment requires a high degree of accuracy, which may not be achieved through rigid digital methods alone. A hybrid approach combining digital modules with traditional practical microscopy exercises is proposed in the second part of the thesis as a solution to teach students not only cell morphology but also the practical handling of the microscope, allowing them to perform detailed examinations by adjusting depth of field or lighting settings. The third part (Manuscript III) illustrates an example for the integration of multiple, particularly exotic species into the teaching format presented with the clinical case of a vicuña suffering from copper intoxication, whose species-specific haematological characteristics were incorporated into the teaching platform. This case underlines the importance of learning manual haematological examination techniques, which remain crucial to date. A total of 113 images had to be classified. The students from higher semesters participated voluntarily and had already taken part in the module from Manuscript I earlier. However, the differentiation in this case was considered relatively easy due to the lower variation in cell types. It is demonstrated that the format can also provide a platform for specialised interests in exotic species, which is becoming increasingly relevant with the globalisation of veterinary medicine, offering haematological education at the same level as the basic training for domestic species. The fourth part of the thesis (Manuscript IV) provides the veterinary background for the clinical case of the vicuña evaluated in the third part. Copper is an essential trace element in the metabolism of mammals and plays a central role in various metabolic processes. However, overdose can lead to severe symptoms, including death, as highlighted in the case of the presented patient. The haematological changes observed in the vicuña, characterised by neutrophilia and alterations in the red blood count, which differed from findings in cases of chronic copper intoxication in sheep, a species known to be particularly sensitive to copper. The clinical symptoms were non-specific, indicating colic and liver failure. This case was characterized by its complexity and was a particularly noteworthy haematological case for the teaching format. Overall, this dissertation demonstrates that combining digital teaching methods with practical exercises offers an effective and forward-looking strategy for veterinary education, particularly in light of recent developments in automated image recognition for haematological diagnostics. It provides a detailed methodology that can serve as a foundation for similar future initiatives. The high results and student feedback suggest that such teaching formats could also be applied in other areas of veterinary medicine to further modernise and improve education. However, it is important to note that mastering microscopy skills remains crucial for precise cell assessments, and that digital formats inherently pre-select cells. Real blood smears, which are more complex in practice, should be acknowledged in teaching as an essential aspect of students' future professional work.
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