Charakterisierung und Anwendung von in vitro und ex vivo Kultursystemen des oberen und unteren Respirationstraktes zur Erforschung der SARS-CoV-2 Empfänglichkeit bei verschiedenen Spezies unter Berücksichtigung des 3R Grundsatzes
Der 3R Grundsatz (Reduce, Replace, Refine) ist ein umfassendes und allgemein akzeptiertes Konzept zur Vermeidung, Verringerung und / oder Verbesserung von Tierversuchen und hat sich gleichzeitig zu einem sinnvollen Instrument zur Unterstützung der wissenschaftlichen Qualität in Forschungsvorhaben durchgesetzt. Durch das Ende 2019 erstmals aufgetretene neue Coronavirus in Wuhan, China, wurde weltweit ein pandemisches Geschehen ausgelöst, das mit großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen einherging. Außerdem stellte die Coronavirus-Krankheit-2019 (coronavirus disease 2019, COVID-19), hervorgerufen durch das Schwere-Akute-Atemwegssyndrom-Coronavirus Typ 2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2, SARS-CoV-2), eine enorme Herausforderung für die öffentlichen Gesundheitssysteme weltweit dar. Wie bei bereits früher aufgetretenen Betacoronaviren wurde auch hier angenommen, dass Fledermäuse ein wichtiges Reservoir für Coronaviren darstellen. Um vielen unbekannten Aspekten in Bezug auf Haus- und Wildtiere und SARS-CoV-2 zu klären, wie zum Beispiel die Identität des Zwischenwirts, der für die Einschleppung des Virus in die menschliche Bevölkerung verantwortlich ist, oder die Anzahl der unentdeckten tierischen Reservoire, die die Rezirkulation neuer Virusvarianten aufrechterhalten könnten, wurde ein großer Forschungsaufwand, häufig mit tierexperimentellen in vivo Versuchen, betrieben. Ein vermehrter Einsatz von Alternativmethoden, der in Deutschland auch rechtlich verankert ist, kann zu einer Reduktion, der in Versuchen eingesetzten Tiere, im Sinne des 3R Prinzips beitragen. In der vorliegenden Arbeit wurde deshalb ein Augenmerk auf das Erstellen einer Übersicht über etablierte in vitro und ex vivo Kulturmethoden zur Untersuchung von Atemwegserkrankungen, insbesondere von Infektionserregern gelegt. Zellkulturmodelle an einer Luft-Flüssigkeitsgrenzschicht (air-liquid interface, ALI), Nasenschleimhautexplantate (nasal mucosa explants, NME) und Lungenpräzisionsschnitte (precision-cut lung slices, PCLS) sind äußerst aussagekräftige und vielseitige Ansätze für die Entdeckung neu auftretender Viruserkrankungen und können als erster Schritt bei der Erforschung antiviraler Ansätze eingesetzt werden. Zur Identifizierung von für SARS-CoV-2 empfänglichen Spezies und um in vivo Experimente zu ergänzen, wurden in der vorliegenden Arbeit, die oben genannten Kulturmodelle von verschiedenen Tierarten (Rind, Schwein, Mufflon, Dromedar, Alpaka, Nyala, Elch, Giraffe, Hund, Frettchen und Syrischer Goldhamster) generiert und mit einem SARS-CoV-2 Isolat (Pango lineage B.1.513) infiziert. Mittels Virustitration konnte eine effiziente Replikation in kaninen NME und PCLS sowie in PCLS von Syrischen Goldhamstern und in einer bovinen ALI-Kultur nachgewiesen werden. Zusätzlich wurde das SARS-CoV-2 Nukleoprotein mittels Immunfluoreszenz in den Kulturen detektiert. Die teilweise festgestellte unterschiedliche Empfänglichkeit der verwendeten Kulturmethode innerhalb einer Tierart lässt sich möglicherweise mit einem je nach Spezies variierenden Zelltropismus von SARS-CoV-2 erklären, wodurch die Empfänglichkeit je nach zellulärer Zusammensetzung in den verschiedenen Abschnitten des oberen und unteren Respirationstrakts unterschiedlich ausfallen kann. Bei keinem der untersuchten Zellkulturmodelle von Frettchen konnte eine SARS-CoV-2 Replikation nachgewiesen werden, obwohl Frettchen als Tiermodell für das humane COVID-19 Krankheitsbild verwendet werden. Diese Diskrepanz könnte zum einen in dem ausgewählten Probenentnahmebereich zur Herstellung der NME zum anderen in ungünstigen Kulturbedingungen begründet liegen. Bei der pathomorphologischen und immunhistochemischen Evaluierung zytopathogener Effekte in den ALI-Kulturen, PCLS und NME von Tierarten, die die SARS-CoV-2 Replikation unterstützten, lagen kaum statistisch signifikante Unterschiede im Vergleich zu den jeweiligen nicht infizierten Kontrollproben vor. Dies deutet darauf hin, dass, obwohl ALI-Kulturen, NME und PCLS als primäre Zellkulturmodelle für Infektionsstudien etabliert sind und die Replikation von SARS-CoV-2 unterstützen können, einschränkende Faktoren wie Kulturbedingungen oder fehlende Immunantworten die Aussagekraft der Kulturmodelle hinsichtlich pathomorphologischer Veränderungen eingeschränkt sein kann. Eine umfangreiche Kenntnis über die Möglichkeiten und Limitationen der jeweiligen Kultursystemeist dabei fundamentalfür eine Einschätzung, ob Ersatz- und Ergänzungsmethode eine zielführende Methodik für geplante Versuchsansätze darstellen. Deshalb wurde in der vorliegenden Arbeit auch eine detaillierte Analyse der morphologischen Merkmale von kaninen ALI-Kulturen durchgeführt. Die Untersuchungen zeigten, dass sich kanine, tracheale Epithelzellen, die für 28 Tage unter ALI-Bedingungen kultiviert wurden, in ein vollständig differenziertes, respiratorisches Epithel entwickeln. Die generierten kaninen Kulturen wurden eingehend licht- und elektronenmikroskopisch untersucht und mit nativem Trachealgewebe verglichen. Trotz großer Ähnlichkeiten, wie unter anderem die Ausbildung von Tight Junctions in einem pseudostratifizierten Epithel, wurden gleichzeitig auch morphologische Unterschiede in Bezug auf die Anzahl der gebildeten Zilien, die Verteilung der Becherzellen und die Epitheldicke festgestellt. Diese Diskrepanzen sind höchstwahrscheinlich auf abweichende Kulturbedingungen im Vergleich zur in vivo Situation zurückzuführen.
The 3Rs principle (reduce, replace, refine) is a comprehensive and widely accepted approach to avoid, reduce, and/or improve animal testing, and at the same time has become a useful tool to support scientific quality in research projects. After the appearance of the novel coronavirus for the first time in Wuhan, China, at the end of 2019, a worldwide pandemic spread was caused, which was connected with major economic and social problems. In addition, coronavirus disease-2019 (COVID-19) caused by severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 (SARS-CoV-2) provided an enormous challenge to public health systems worldwide. As with previously encountered beta-coronaviruses, bats were considered as an important reservoir for coronaviruses. A large research effort, often involving in vivo animal experiments, has been undertaken to clarify many unknown aspects related to domestic and wild animals along with SARS-CoV-2, such as the identity of the intermediate host responsible for introducing the virus into the human population or the number of undetected animal reservoirs that might sustain the recirculation of new viral variants. An increased use of alternative methods, which is also legally anchored in Germany, can contribute to a reduction of animals used in experiments in line with the 3Rs principle. In the present work, therefore, attention was paid to providing an overview of established in vitro and ex vivo culture methods for the investigation of respiratory diseases, especially infectious agents. Cell culture models at an air-liquid interface (ALI), nasal mucosa explants (NME), and precision-cut lung slices (PCLS) are highly meaningful and versatile approaches for the detection of emerging viral diseases and can be used as a first step in the exploration of antiviral approaches. To identify species susceptible to SARS-CoV-2 and to complement in vivo experiments, in the present work, the aforementioned culture models were generated from different animal species (bovine, porcine, mouflon, dromedary, alpaca, nyala, moose, giraffe, dog, ferret and Syrian golden hamster) and infected with a SARS-CoV-2 isolate (Pango lineage B.1.513). By virus titration, efficient replication was observed in canine NME and PCLS as well as in PCLS from Syrian golden hamsters and in a bovine ALI culture. In addition, the SARS-CoV-2 nucleoprotein was detected by immunofluorescence in the investigated cultures. The different susceptibility of the culture method used within one animal species, can possibly be explained by a, depending on the species, varying cell tropism of SARS-CoV-2, whereby the susceptibility may differ depending on the cellular composition in the different sections of the upper and lower respiratory tract. No SARS-CoV-2 replication was detected in any of the ferret cell culture models examined, despite the use of ferrets as an animal model for human COVID-19 disease. This discrepancy might be due to the selected sampling area for the preparation of the NME on the one hand and unfavorable culture conditions on the other hand. In the pathomorphological and immunohistochemical evaluation of cytopathogenic effects in the ALI cultures, PCLS, and NME from animal species that supported SARS-CoV-2 replication, there were hardly any statistically significant differences compared with the respective uninfected control samples. This suggests that although ALI cultures, NME, and PCLS are established as primary cell culture models for infection studies and can support SARS-CoV-2 replication, limiting factors such as culture conditions or lack of immune responses may limit the validity of culture models with respect to pathomorphological changes. A comprehensive knowledge of the possibilities and limitations of the respective culture systems is thereby fundamental for an assessment of whether replacement and complementary methods represent a target-oriented methodology for planned experimental approaches. Therefore, a detailed analysis of the morphological characteristics of canine ALI cultures was also performed in the present work. The investigations showed that canine tracheal epithelial cells cultured for 28 days at an ALI develop into a fully differentiated respiratory epithelium. The generated canine cultures were examined by light and electron microscopy and compared with native tracheal tissue. Despite major similarities, such as the formation of tight junctions in a pseudostratified epithelium, morphological differences in the number of ciliated cells, goblet cell distribution, and epithelial thickness were simultaneously observed. These discrepancies are most likely due to deviating culture conditions compared with the in vivo situation. In conclusion, in vitro and ex vivo models derived from both humans and animals provide an important basis for in vivo experiments and clinical applications. They can be considered indispensable for preclinical pathogenetic studies of infectious diseases with and without zoonotic potential, and their application is in accordance with the 3Rs principle.
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