Untersuchungen zur urbanen Zeckenabundanz sowie zu Vorkommen und Epidemiologie des Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus in Niedersachsen
Zecken können diverse Pathogene auf Menschen als Tiere übertragen. In Mitteleuropa stellt Ixodes ricinus die in dieser Hinsicht bedeutendste Zeckenart dar. Sich ändernde klimatische und ökologische Bedingungen können sich auf Zeckenpopulationen auswirken, daher ist ein
Monitoring der Zeckenaktivität in städtischen Gebieten hinsichtlich des präventiven
Gesundheitsschutzes für Mensch und Tier von maßgeblicher Bedeutung. Ein Ziel dieser Arbeit bestand darin, die saisonale Aktivität von Zecken im Stadtgebiet Hannover im Jahr 2021 zu
untersuchen, mit Daten aus vorhergehenden Jahren zu vergleichen und die Auswirkungen
verschiedener Umwelteinflüsse zu analysieren. Zu diesem Zweck wurde die Anzahl wirtssuchender Zecken an 10 verschiedenen Standorten im Stadtgebiet Hannover von April bis Oktober 2021 mittels Flaggmethode quantitativ erfasst. Insgesamt wurden 448 Zecken
gesammelt. Mit durchschnittlich 6 Zecken/100 m2 war die Zeckenabundanz im Vergleich zu
den Studien aus den Vorjahren signifikant verringert. An allen Standorten fand ein ausgeprägter
Frühjahrspeak im Juni statt, während ein Herbstpeak weitestgehend ausblieb. Ein signifikanter
Einfluss (mikro-)klimatischer Bedingungen konnte bezüglich der relativen Luftfeuchte in der
Laub-/Detritus- bzw. Moosschicht am Boden sowie bezüglich der Bodentemperatur
nachgewiesen werden.
Neben Untersuchungen der Zeckenaktivität sind Studien zum Vorkommen und zur Prävalenz Zecken-übertragener Erreger für eine Risikoeinschätzung unabdingbar. Eines der wichtigsten
von I. ricinus übertragenen Pathogene ist das Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSMEV), welches beim Mensch, aber auch Hund und Pferd, zu schwerwiegenden
neurologischen Erkrankungen führen kann. Während der Süden Deutschlands als Endemiegebiet gilt, treten humane klinische Fälle in Norddeutschland bislang eher sporadisch
auf. Seit 2019 ist mit dem Landkreis „Emsland“ jedoch auch in Niedersachsen ein FSMERisikogebiet vom Robert-Koch-Institut ausgewiesen. Naturherde, in denen das Virus zwischen
Zecken und Reservoirwirten zirkuliert, sind lokal sehr begrenzt und durch eine geringe Prävalenz des Virus bei I. ricinus gekennzeichnet. In dieser Arbeit wurden Zecken von vier Standorten in Niedersachsen, die aufgrund gemeldeter humaner FSME-Infektionen ausgewählt wurden, mittels Sonden-basierter quantitativer real-time reverse transcription (RT)-PCR
(qPCR) auf Virus-RNA untersucht. Weitere vier Standorte, an denen bereits in der
Vergangenheit Virusnachweise stattgefunden hatten, wurden auf persistierende Viruszirkulation untersucht. Der FSMEV-Nachweis war bei 18/2416 (0,75 %) untersuchten
Zeckenpools, die jeweils 10 Nymphen oder 5 Adulte beinhalteten, bei vier der acht untersuchten
Standorte positiv. Ein Virus-Erstnachweis gelang an dem Standort „Lingen Ost“ im Landkreis Emsland, während am Standort „Lingen West“ eine persistierende Viruszirkulation bestätigt wurde, ebenso wie an den Standorten „Barsinghausen/Mooshuette“ in der Region Hannover,
„Rauher Busch“ im Landkreis Nienburg und „Wingst“ im Landkreis Cuxhaven. Die E-Gen-
Sequenzen der Virusisolate von den Standorten „Lingen Ost“, „Lingen West“, „Wingst“ und
„Barsinghausen/Mooshuette“ zeigten eine hohe Übereinstimmung mit einem finnischen
Virusisolat. Das Isolat vom Standort „Rauher Busch“ war phylogenetisch eng mit bekannten
Isolaten aus Sachsen sowie mit zuvor an diesem Standort und am Standort „Barsinghausen/Mooshuette“ detektierten Isolaten verwandt.
Neben dem direkten Virusnachweis bei Zecken kann auch das Monitoring von Wild- und
Haustieren zum Verständnis der FSMEV-Verbreitung beitragen. Deshalb wurden in der
vorliegenden Arbeit Blutproben von Wild- und Haustieren aus Niedersachsen und
angrenzenden Bundesländern mittels ELISA und anschließendem Serumneutralisationstest auf
FSMEV-Antikörper untersucht. Die Analyse von insgesamt 4085 Blutproben von Wild- und
Haustieren ergab eine FSMEV-Seroprävalenz von 1,50 %. Die Seroprävalenz war bei Wildtieren höher als bei Haustieren, wobei keine FSMEV-Antikörper bei Ziegen und Katzen
nachgewiesen wurden. Eine auffällige Akkumulation positiver Proben wurde in Landkreisen
mit bekannten FSME-Naturherden beobachtet. Weitere Cluster positiver Proben in anderen
Landkreisen deuten auf bisher noch unentdeckte Übertragungsherde hin und unterstreichen die Zweckmäßigkeit der Untersuchung von Sentineltieren im Rahmen der FSME-Epidemiologie.
Neben den gewonnenen Erkenntnissen dient diese Arbeit auch als Grundlage für
weiterführende Untersuchungen hinsichtlich der FSMEV-Ausbreitung sowie der Entwicklung
der Zeckenabundanz, insbesondere im norddeutschen Raum, unter sich verändernden
klimatischen Bedingungen.
Ticks can transmit various pathogens to both humans and animals. In Europe, Ixodes ricinus is
the most important tick species in this regard. Changing climatic and ecological conditions can
affect tick populations, therefore, monitoring of tick activity in urban areas is crucial in terms
of preventive health care for humans and animals. One objective of this work was to investigate the seasonal activity of ticks in the urban area of Hanover in 2021, to compare these data with
results from previous years and to analyze the impact of different environmental factors. For
this purpose, the number of host-seeking ticks was quantitatively recorded at 10 different sampling sites in the Hanover urban area from April to October 2021 using the flagging method.
In total, 448 ticks were collected. With an average of 6 ticks/100 m2, the tick abundance was significantly reduced compared to data from previous years. A significant influence of
(micro-)climatic conditions was demonstrated with respect to relative humidity in the leaf/detritus litter or moss layer, as well as soil temperature.
In addition to studies on tick activity, monitoring of tick-borne pathogen prevalence is necessary
to assess the risk related to ticks. One of the most important viral pathogens transmitted by ticks is tick-borne encephalitis virus (TBEV), which can cause severe neurological disease in
humans, but also dogs and horses. While southern Germany is considered an endemic area,
human clinical cases in northern Germany are more sporadic. However, the district of
“Emsland” in Lower Saxony has been classified as a risk area by the Robert-Koch-Institute (RKI) in 2019. Natural foci, where the virus circulates between ticks and reservoir hosts are locally restricted and characterized by a low infection prevalence in I. ricinus. In this work,
ticks from four locations in Lower Saxony, which were selected due to reported human TBE infections, were investigated for virus RNA using probe-based quantitative real-time reverse transcription (RT)-PCR (qPCR). Further four locations with previous virus detection were examined for persistent virus circulation. TBEV detection was positive in 18/2416 (0.75%)
examined tick pools, each containing 10 nymphs or 5 adults, from four of the eight examined
locations. The virus was detected for the first time at the location “Lingen Ost” in the district Emsland, while a persistent virus circulation was confirmed at the location “Lingen West”, as well at the locations “Barsinghausen/Mooshuette” in the region of Hanover, “Rauher Busch” in the district of Nienburg, and “Wingst” in the district Cuxhaven. The E-gene sequences of the virus isolates from the locations “Lingen Ost”, “Lingen West”, “Wingst” and
“Barsinghausen/Mooshuette” showed a high concordance with a Finnish virus isolate. The isolate from “Rauher Busch” was phylogenetically closely related to known isolates from Saxony as well as the isolates previously detected at this location and at “Barsinghausen/Mooshuette”.
In addition to virus detection in ticks, monitoring of wild and domestic animals can also
contribute to the understanding of TBEV spread. Therefore, in this work, blood samples from wild and domestic animals from Lower Saxony and neighbouring federal states were analyzed
for TBE antibodies by ELISA followed by a serum neutralization test. Examination of 4,085
blood samples from wild and domestic animals revealed a TBEV seroprevalence of 1.50%.
Seroprevalence was higher in wild animals than in domestic animals, with no TBE antibodies detected in goats and cats. A remarkable clustering of positive samples was observed in districts with known TBE natural foci. Further clusters of positive samples in other districts suggest so
far undetected transmission foci and underline the usefulness of sentinel animal testing in the context of TBE epidemiology.
In addition to the knowledge gained, this work serves as a basis for further investigations regarding TBEV spread and the development of tick abundance, especially in northern
Germany, under changing climatic conditions.