Histomonose bei der Pute : Epidemiologische Untersuchungen zur Ermittlung von Eintragsursachen und krankheitsbegünstigenden Faktoren
Die Histomonose, eine infektiöse Entzündung der Blinddärme und der Leber, wird durch den Einzeller Histomonas meleagridis verursacht. Neben anderen Nutzgeflügelarten und Wildvögeln, beeinträchtigt die Erkrankung vor allem den Putensektor. Die Histomonose kann dramatische Verluste mit schwerwiegenden Folgen für Tierwohl und Wirtschaft verursachen. Trotz der Verfügbarkeit von schneller und zuverlässiger Diagnostik, ist ein ansteigendes Vorkommen der Erkrankung weltweit zu beobachten. Dieses wird sowohl durch das Verbot therapeutisch wirksamer Mittel seit dem Jahr 1995 als auch durch das Verbot wirksamer Prophylaktika seit dem Jahr 2003 in der EU bzw. seit dem Jahr 2015 in den USA, aber auch in anderen Ländern der Welt begründet. Seither konnten jedoch keine anderen wirksamen Prophylaktika und Therapeutika identifiziert und zugelassen werden. Die Entwicklung eines Impfstoffes konnte bisher noch nicht vollständig abgeschlossen werden und somit ist eine Impfung im Feld noch nicht einsetzbar. Es muss ein Schwerpunkt auf die Erforschung der Epidemiologie der Histomonose gelegt werden, um die Verbreitung und den Eintrag des Erregers Histomonas meleagridis auf putenhaltenden Betrieben eindämmen zu können. Histomonose-Ausbrüche könnten durch die erfolgreiche Etablierung anderer Kontrollmethoden in der Zukunft verhindert werden. Die Arbeitsansätze des Projektes umfassten sowohl die Ermittlung möglicher Eintragswege des Erregers Histomonas meleagridis in einen Putenbestand als auch die Identifikation möglicher krankheitsbegünstigender Faktoren. Es wurden Untersuchungen von wiederkehrenden Histomonose-Ausbrüchen auf einem putenhaltenden Betrieb durchgeführt, um mögliche Eintragswege und krankheitsbegünstigende Faktoren zu analysieren. Hierfür wurden die Unterlagen der tierärztlichen Bestandsbetreuung und die Aufzeichnungen der Produktionsdaten zwischen den Jahren 2007 und 2021 retrospektiv analysiert (Manuskript 1). Der schwerwiegendere Verlauf einer Histomonose in männlichen Herden (P ≤ 0.05), welcher im Vergleich zu den analysierten, weiblichen Herden identifiziert werden konnte, weist auf einen Histomonose-begünstigenden Effekt des Geschlechts hin. Ein weiteres Ergebnis war die Identifikation einer saisonalen Häufung von Ausbrüchen zwischen den Monaten Juni und September. Dies lässt auf einen möglichen Einfluss von höheren Temperaturen (P ≤ 0.05) auf die Pute, durch die Auslösung von Stress, oder auf den Erreger und auf das Vorkommen von Vektoren schließen. Weiterhin wurde eine deutschlandweite, retrospektive Fall-Kontroll-Studie zur Untersuchung möglicher Eintragswege des Erregers Histomonas meleagridis in einen Putenbestand initiiert. Unter der Zuhilfenahme von einer Online-Umfrage wurden putenhaltende Betriebe mit einem Histomonose-Ausbruch seit Januar 2018 als Fallbetriebe, mit putenhaltenden Betrieben, welche bisher noch keinen Histomonose-Ausbruch oder welche einen Histomonose-Ausbruch vor 2016 verzeichnen konnten, als Kontrollbetriebe, verglichen. Das Einflusspotential der untersuchten Faktoren auf einen Histomonose-Ausbruch wurde mittels ein- und mehrfaktorieller Modelle ermittelt (Manuskript 2). Ein möglicher Erregereintrag über belebte Vektoren konnte detektiert werden. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass eine vorhandene, umgekehrte Kausalität (reverse causation) die Ergebnisse verzerrt haben könnte. So können neben dem Vorkommen von Regenwürmern und weiteren Insekten in der Nähe von Putenstallungen (OR = 1.634, P = 0.228), auch Wildvögel (z.B. Singvögel, OR = 1.753, P = 0.232) das Risiko eines Erregereintrags erhöhen. Die Nähe zu anderen geflügelhaltenden Betrieben erhöht ebenfalls das Risiko eines Histomonose-Ausbruchs (OR = 2.362, P = 0.079). Als ein weiteres Kernergebnis kann ein uneingeschränkter Zugang zu den Stallungen das Risiko eines Erregereintrags durch den Menschen erhöhen (OR = 1.990, P = 0.098). Des Weiteren wurde Stroh als möglicher, unbelebter Vektor identifiziert (OR = 2.656, P = 0.101). In diesem Zusammenhang wurde auch eine inadäquate Einstreufrequenz als begünstigender Faktor für einen Histomonose-Ausbruch beschrieben (OR = 2.797, P = 0.015). Außerdem wurden 31 teilnehmende Fallbetriebe besucht, um Daten eines exemplarischen Histomonose-Ausbruchs zu erfassen. Histomonose-begünstigende Faktoren und das Risikobewusstsein der teilnehmenden Landwirte wurden durch die Auswertung eines Fragebogens und durch die Befragung der Landwirte analysiert und beurteilt. Wir besichtigten den Betrieb und die betroffenen Stallungen, um die Richtigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen zu überprüfen (Manuskript 3). Trotz eines allgemeinen, guten Risikobewusstseins der teilnehmenden Landwirte für potentielle Eintragswege des Erregers Histomonas meleagridis in einen Putenbestand, konnten einige unzureichende Biosicherheitsaspekte identifiziert werden. Eine inadäquate Reinigungs- und Desinfektionsfrequenz der Hygieneschleuse und der Stallkleidung sowie ein inadäquater Umgang mit kontaminiertem Mist wirken dabei scheinbar fördernd auf einen Erregereintrag bzw. auf eine Erregerpersistenz auf putenhaltenden Betrieben. Dies könnte zu einer Erhöhung des Risikos eines Histomonose-Ausbruchs beitragen. Ebenso scheinen stressauslösende Gegebenheiten, wie höhere Temperaturen, Impfungen und Umstallungen, einen fördernden Einfluss auf den Verlauf der Histomonose zu nehmen. Auch gastrointestinale Vorerkrankungen sowie die damit verbundene, antibiotische Behandlung der Puten können den Verlauf einer klinischen Histomonose begünstigen. Zusammenfassend weisen unsere Studienergebnisse darauf hin, dass eine Verbesserung von Biosicherheitsmaßnahmen auf putenhaltenden Betrieben das Risiko eines Erregereintrags und das Vorkommen von krankheitsbegünstigenden Faktoren reduzieren kann. Weiterhin könnte die Verbesserung des Risikobewusstseins der Landwirte für mögliche Eintragswege und für adäquate Biosicherheits- sowie Hygienemaßnahmen zu einer Reduktion von Histomonose-Ausbrüchen beitragen.
Histomonosis, an inflammatory disease of the caeca and liver, is caused by the protozoan Histomonas meleagridis. In addition to other commercial poultry species and wild birds, the disease particularly affects the turkey production sector. Histomonosis leads to dramatic losses with a severe impact on animal welfare and economy. Despite the availability of fast and reliable diagnostics, an increasing incidence of the disease can be observed worldwide. This is due to the ban on therapeutically effective agents since 1995, but also to the ban on effective prophylactics since 2003 in the EU, since 2015 in the USA and also in other countries around the world. Since then, however, no other effective prophylactic- and therapeutic agents have been identified and approved. The development of a vaccine has not yet been fully completed and thus vaccination cannot be used in the field yet. More research on the epidemiology of histomonosis is needed to reduce the spread and introduction of Histomonas meleagridis into turkey farms. Histomonosis-outbreaks might be prevented successfully in the future by establishing other control measures in the field. The objectives of the project were the identification of possible pathways of a Histomonas meleagridis-introduction into turkey flocks and the determination of possible disease-favouring factors. Investigations of recurrent histomonosis-outbreaks on a selected turkey farm were carried out to analyse possible pathways of pathogen introduction and histomonosis-favouring factors. Therefore, documents of the production data and veterinary service were analysed retrospectively between 2007 and 2021 (Manuscript 1). A more severe course of histomonosis in male flocks in contrast to the investigated female flocks (P ≤ 0.05) suggests a disease-favouring effect of the sex. As a further key result, a seasonal accumulation of outbreaks between June and September was identified. The accumulation may be due to a possible impact of higher temperatures (P ≤ 0.05) either on the host by triggering stress or on the pathogen and the occurrence of pathogen-transmitting vectors. Additionally, a retrospective case-control-study was initiated throughout Germany to investigate possible pathways of a Histomonas meleagridis-introduction. An online survey was conducted, including turkey farms affected by histomonosis since January 2018 as case-farms and turkey farms which had not yet recorded a histomonosis-outbreak or which had recorded a histomonosis-outbreak before 2016 as control-farms. Using single- and multi-factorial models, the factors were examined for their risk level. Since the required sample size could not be achieved, which is common in epidemiological studies, the results had to be interpreted with caution (Manuscript 2). Possible ways of pathogen introduction via animate vectors were detected, but reverse causation could have biased the results. In addition to the occurrence of earthworms and other insects close to the turkey houses (OR = 1.634, P = 0.228), wild birds can also increase the risk of a pathogen introduction (e.g. songbirds, OR = 1.753, P = 0.232). The proximity to other poultry farms increases the risk of pathogen introduction as well (OR = 2.362, P = 0.079). As another key result, unrestricted access to the turkey houses may increase the risk of pathogen introduction by humans (OR = 1.990, P = 0.098). Furthermore, straw has been identified as a possible inanimate vector (OR = 2.656, P = 0.101) and in this context an inadequate litter refill frequency may also favour a histomonosis-outbreak (OR = 2.797, P = 0.015). Moreover, 31 participating case-farms were visited to collect further data on an exemplary histomonosis-outbreak. To identify histomonosis-favouring conditions and to evaluate the farmer’s risk awareness, the farmers answered a questionnaire and were interviewed. Furthermore, we visited the farm and the affected turkey houses to verify the correctness of the provided information (Manuscript 3). Despite an overall good risk awareness for possible ways of a Histomonas meleagridis-introduction among participating farmers, some inadequate biosecurity measures were identified. An inappropriate cleaning- and disinfection frequency of the hygiene lock and the turkey house-specific clothes, as well as an inadequate handling of contaminated dung were identified to have a favouring effect on pathogen introduction or on pathogen persistence on turkey farms, which may contribute to the risk of a histomonosis-outbreak. Moreover, stress-inducing conditions, such as higher temperatures, vaccination and movement of turkeys, seem to have an influence on the development of histomonosis. Additionally, pre-existing, gastrointestinal diseases as well as associated antibiotic treatment of the turkeys may also favour the course of clinical histomonosis.
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