Untersuchungen zur Epidemiologie und Pathophysiologie der primären sekretorischen Otitis media beim caninen Brachyzephalen
​​Hintergrund: Die Eustachische Röhre verbindet das Mittelohr mit dem Nasenrachenraum, reguliert die Drainage der Mittelohrsekrete und bietet eine Schutzfunktion des Mittelohres vor einem Bakterieneintrag. Sie reguliert die Belüftung zwischen der Paukenhöhle und dem Pharynx und sorgt ebenfalls für einen Druckausgleich zwischen den Kompartimenten. Durch eine experimentelle Obstruktion der Tuba auditiva kann es zu einem Paukenhöhlenerguss kommen. Dieser Paukenhöhlenerguss wird mit fortschreitender Häufigkeit bei brachyzephalen Rassen als eine Art „Zufallsbefund“ diagnostiziert. Der Erguss zeigt sich in den meisten Fällen als ein steriles, muköses Sekret und wird beim Vorliegen als primary secretory otitis media- PSOM bezeichnet. Die betroffenen Hunde leiden unter einem Fülldruck des Ohres, bis hin zu starken Kopfschmerzen, allerdings können sie ihr Leid, im Gegensatz zum Menschen, nicht verbalisieren. Es stehen Veränderungen des Schädelwachstums und der Tuba auditiva im Zusammenhang mit der Entstehung eines Paukenergusses. Da bei brachyzephalen Hunden bereits multiple, zuchtbedingte Missbildungen des Schädels bekannt sind, könnte es gleichzeitig auch zu Lageveränderungen und Verkürzungen von Strukturen der Tuba auditiva sowie eventuellen morphometrischen Veränderungen des Mittelohres gekommen sein. Ziel dieser Arbeit: Ziel dieser Arbeit ist die Erweiterung des Verständnisses zur Ätiologie und Pathogenese der PSOM bei brachyzephalen Hunderassen. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf die Anatomie der Tuba auditiva und des Mittelohres dieser besonderen Rassen gelegt, indem Messungen anhand computertomographischer Untersuchungen am 3D-Rekonstrunktionsmodell durchgeführt wurden. Die ermittelten Daten wurden mit einer normozephalen Kontrollgruppe von 24 Tieren (9 Jack-Russel-Terrier, 15 Cocker Spaniels) verglichen, deren Daten ebenfalls retrospektiv ermittelt wurden. Material und Methoden: In dieser retrospektiven Studie wurden CT-Bilder von 40 Hunden brachyzephaler Rassen (15 Cavalier King Charles Spaniels, 15 Französische Bulldoggen, 10 Möpse) und 24 Hunden mesozephaler Rassen (9 Jack-Russel-Terrier, 15 Cocker Spaniels) anhand der Software Materialise Mimics v. 22.0 und Materialise 3-matic v. 14.0. und Horos v. 3.6.6 vermessen und als 3D-Rekonstruktionsmodell dargestellt. Bei den Auswertungen wurde Augenmerk auf eine vorhandene Bullafüllung, die anatomische Darstellung des Mittelohres und der Tuba auditiva gelegt. Gemessen wurden Bullavolumen, Bullawanddicke, der knöcherne Anteil der Tuba auditiva mit Höhe, Breite und Länge sowie die Gesamtlänge der Tuba auditiva und ihre Winkelung zur rostrocaudalen Medianen des Schädels. Die Hunde wurden aufgrund ihrer Bullafüllung in drei weitere Gruppen unterteilt. Jedes Ohr/ jede Bulla wurde einzeln betrachtet und so wurden pro Hund immer zwei Ohren angegeben (n= 2). Die Gruppe der nicht- Erkrankten wurde aus Hunden ohne eine Bullafüllung gebildet und bestand zum Großteil aus Hunden der mesozephalen Rasse. Die Gruppe PSOM-unilateral bestand, außer einem mesozephalen Hund (Cocker Spaniel), aus nur brachyzephalen Hunden. Das nicht betroffene Ohr bei diesen Hunden wurde in diese Gruppe miteingeschlossen. Die dritte Gruppe PSOM-bilateral bestand aus Hunden mit einer bilateralen Mittelohrfüllung und schloss wie zuvor, abgesehen von einem Cocker Spaniel, nur brachyzephale Hunde ein.Die Daten auf Normalverteilung wurden mittels vier verschiedener Tests, Anderson-Darling-, D’Agostino & Pearson -, Shapiro-Wilk – und Kolmogorov-Smirnov Test getestet. Da die Daten hauptsächlich nicht-parametrisch verteilten waren, wurden deskriptiv der Median, 25 % -und 75 %- Perzentil, der Interquartilsabstand (IQR) und die Spannbreite neben Minimum und Maximum mathematisch bestimmt; für normalverteilte Daten waren der Mittelwert, Standardabweichung und Standardfehler zutreffendere Beschreibungen. Ein Teil der Daten war aufgrund geringer Datenmenge nicht ausreichend für weiterführende statistische Testungen und wurde deskriptiv behandelt. Der Vergleich jeweils zwei unabhängiger Gruppen wurde mittels Mann-Whitney-U-Test miteinander verglichen. Ergebnisse: Von den Hunden der brachyzephalen Rassen hatten 60 % (24/40) einen Paukenhöhlenerguss. Insgesamt wurde bei 25 % (10/40) der brachyzephalen Hunde ein unilateraler und bei 35 % (14/40) der Hunde ein bilateraler Paukenhöhlenerguss diagnostiziert. Hunde der mesozephalen Rassen hatten mit 8% (2/24) selten einen Paukenhöhlenerguss, wodurch sich gehäuft bei Hunden der brachyzephalen Gruppe ein Erguss zeigte. Hunde der brachyzephalen Gruppe mit einem bilateralen Paukenhöhlenerguss hatten beidseits ein nur etwa halb so großes Bullavolumen [Median: 0,41 cm³ (IQR: 0,33—0,61 cm³)] im Vergleich zu Hunden ohne einen Erguss [Median: 0,81 cm³ (IQR: 0,51—1,03 cm³)]. Die Bullawand war außerdem bei Hunden mit bilateralem Erguss deutlich verdickt [Median: 1,75 mm (IQR: 0,95–5,83 mm)] verglichen zu Hunden ohne einen Erguss [Median: 1,33 mm (IQR: 1,06 — 1,71 mm)]. Es zeigte sich eine signifikante Verkürzung [Median: 2,15 mm (IQR: 2,08—2,59 mm)] als auch eine Abflachung [Median: 2,1 mm (Mean: 0,52 mm)] des knöchernen Anteils der Tuba auditiva bei Hunden mit bilateralem Erguss, im Vergleich zu Hunden ohne einen Erguss [Mediane Höhe: 2,6 mm (Mean: 0,58 mm) / Mediane Länge: 3,03 mm (IQR: 2,3 —3,41 mm)]. Die Breite des knöchernen Anteils zeigte bei Hunden mit und ohne Erguss keinen Messunterschied. Der Winkel der Tuba auditiva war bei Hunden mit einer bilateralen Bullafüllung deutlich größer [Median: 42 ° (IQR: 39,55—45,22 °)] im Vergleich zu Hunden ohne eine Bullafüllung [Median: 35 ° (IQR: 33,15—38,34 °)]. Somit verläuft die Tuba auditiva bei diesen Hunden viel flacher im Vergleich zu den Hunden ohne eine Bullafüllung. Die Längen des harten und weichen Gaumens unterschieden sich in ihren Messwerten bei Hunden mit und ohne eine Bullafüllung nicht. Im Hinblick auf die Dicke des Gaumensegels zeigte sich bei Hunden mit einem bilateralen Paukenerguss [Median: 10,89 mm (IQR: 3,310—15,20 mm)] im Vergleich zu Hunden ohne einen Erguss [Median: 9,71 mm (IQR: 3,61—17,42 mm)] ein verdicktes Gaumensegel. Schlussfolgerung: Diese Studie zeigt erstmalig, dass die Brachyzephalie der Hunde zu spezifischen Veränderungen des Schädels mit möglicher Krankheitsprädisposition zur PSOM führt. Es scheint, dass es durch die Brachyzephalie zu einer multiplen Veränderung in der Tubenmorphologie gekommen ist, wovon der knöcherne Anteil als auch die Lage der gesamten Tuba auditiva betroffen sind.Diese Veränderungen in der Morphologie der Tuba auditiva führen zu einer Prädisposition für eine Tubendysfunktion mit anschließender Ergussbildung bei brachyzephalen Hunden. Außerdem scheinen auch das geringere Bullavolumen und die verdickte Bullawand dieser Hunde bei der Tubendysfunktion eine große Rolle zu spielen.
Background: The Eustachian tube connects the middle ear with the nasopharynx, regulates the drainage of middle ear secretions and provides a protective function of the middle ear against bacterial entry. It regulates ventilation between the tympanic cavity and the pharynx and also provides pressure equalization between the compartments. Experimental obstruction of the auditory tube may result in tympanic cavity effusion. This tympanic cavity effusion is diagnosed with progressive frequency in brachycephalic breeds as a type of "incidental finding." This effusion presents in most cases as a sterile, mucous secretion and when present is referred to as primary secretory otitis media- PSOM.The affected dogs suffer from a filling pressure of the ear, up to severe headaches, however, they cannot verbalize their suffering, unlike humans. Changes in the growth of the skull and the auditory tube are associated with the development of tympanic effusion. Since multiple, breeding-related malformations of the skull are already known in brachycephalic dogs, positional changes and shortening of structures of the tuba auditiva as well as possible morphometric changes of the middle ear could have occurred simultaneously. Aim of this work: The aim of this work is to increase the understanding of the etiology and pathogenesis of PSOM in brachycephalic dog breeds. In this regard, special attention is paid to the anatomy of the auditory tube and middle ear of these particular breeds by performing measurements using computed tomographic studies on the 3D reconstruction model. The data obtained were compared with a normocephalic control group of 24 animals (9 Jack Russell terriers, 15 Cocker Spaniels), whose data were also obtained retrospectively. Material and Methods: In this retrospective study, CT images of 40 dogs of brachycephalic breeds (15 Cavalier King Charles Spaniels, 15 French Bulldogs, 10 Pugs) and 24 dogs of mesocephalic breeds (9 Jack-Russel Terriers, 15 Cocker Spaniels) were measured using Materialise Mimics v. 22.0 and Materialise 3-matic v. 14.0. and Horos v. 3.6.6 software and displayed as a 3D reconstruction model. During the evaluations, attention was paid to an existing bulla filling, the anatomical representation of the middle ear and the auditory tube. Bulla volume, bulla wall thickness, the bony portion of the auditory tube with height, width, and length, and the total length of the auditory tube and its angulation to the rostrocaudal median of the skull were measured. The dogs were further divided into three groups based on their bulla filling. Each ear/bulla was considered individually and thus two ears were always reported per dog (n= 2). The group of non-sufferers was formed by dogs without a bulla filling and consisted mostly of dogs of the mesocephalic breed. The PSOM-unilateral group, except for one mesocephalic dog (Cocker Spaniel), consisted of only brachycephalic dogs. The unaffected ear in these dogs was included in this group. The third group, PSOM-bilateral, consisted of dogs with bilateral middle ear filling and included only brachycephalic dogs, as before, except for one Cocker Spaniel.Data were tested for normal distribution using four different tests, Anderson-Darling, D'Agostino & Pearson, Shapiro-Wilk, and Kolmogorov-Smirnov test. Because the data were mainly nonparametrically distributed, the median, 25% and 75% percentiles, interquartile range (IQR), and range adjacent to minimum and maximum were mathematically determined descriptively; for normally distributed data, the mean, standard deviation, and standard error were more accurate descriptions. Some of the data were insufficient for further statistical testing due to low data volume and were treated descriptively. The comparison of each two independent groups was compared using Mann-Whitney U test. Results: Of the dogs in the brachycephalic breeds, 60% (24/40) had tympanic sinus effusion. Overall, 25% (10/40) of brachycephalic dogs were diagnosed with unilateral tympanic cavity effusion and 35% (14/40) of dogs were diagnosed with bilateral tympanic cavity effusion. Dogs of the mesocephalic breeds rarely had tympanic sinus effusion at 8% (2/24), resulting in clustered effusions in dogs of the brachycephalic group. Dogs in the brachycephalic group with a bilateral tympanic sinus effusion had only about half the bulla volume bilaterally [median: 0.41 cm³ (IQR: 0.33-0.61 cm³)] compared with dogs without an effusion [median: 0.81 cm³ (IQR: 0.51-1.03 cm³)]. The bulla wall was also significantly thickened in dogs with bilateral effusion [median: 1.75 mm (IQR: 0.95-5.83 mm)] compared to dogs without an effusion [median: 1.33 mm (IQR: 1.06-1.71 mm)]. There was a significant shortening [median: 2.15 mm (IQR: 2.08-2.59 mm)] as well as flattening [median: 2.1 mm (Mean: 0.52 mm)] of the bony portion of the auditory tuba in dogs with bilateral effusion, compared to dogs without an effusion [median height: 2.6 mm (Mean: 0.58 mm)/median length: 3.03 mm (IQR: 2.3 -3.41 mm)]. The width of the bony portion showed no difference in measurement in dogs with and without effusion. The angle of the auditory tube was significantly greater in dogs with a bilateral bulla filling [median: 42 ° (IQR: 39.55-45.22 °)] compared with dogs without a bulla filling [median: 35 ° (IQR: 33.15-38.34 °)]. Thus, these dogs show a much flatter tuba auditive compared with dogs without a bulla filling. The lengths of the hard and soft palate did not differ in their measured values in dogs with and without a bulla filling. With regard to the thickness of the soft palate, dogs with a bilateral tympanic effusion [median: 10.89 mm (IQR: 3.310-15.20 mm)] showed a thickened soft palate compared with dogs without an effusion [median: 9.71 mm (IQR: 3.61-17.42 mm)]. Conclusion: This study shows for the first time that brachycephaly in dogs leads to specific changes in the skull with a possible predisposition to PSOM. It appears that brachycephaly has resulted in multiple changes in tubal morphology, affecting the bony portion as well as the location of the entire auditory tuba.These changes in the morphology of the auditory tube predispose to tube dysfunction with subsequent effusion formation in brachycephalic dogs. In addition, the smaller bulla volume and thickened bulla wall of these dogs also appear to play a major role in tubal dysfunction.
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