Antibiotika in der Veterinärmedizin : Neue Kenntnisse zu den Folgen des Antibiotikaeinsatzes hinsichtlich Resistenzentwicklungen und Umweltkontaminationen sowie innovative Maßnahmen zur Reduktion von Gefahren für das Ökosystem
Sowohl in der Human- als auch der Veterinärmedizin sind Antibiotika unerlässliche Therapeutika bei der Behandlung von mitunter schwersten Infektionskrankheiten. Das vermehrte Auftreten von Therapieversagen durch resistent gewordene Bakterien ist jedoch eine besorgniserregende Entwicklung der letzten Jahrzehnte, die es im Sinne des „One-Health“-Konzeptes zu stoppen gilt. Kenntnisse zur Umweltkontamination durch Antibiotika, Resistenzentstehung bei kommensalen Bakterien und mögliche Wirkungen auf Nachbartiere in der Nutztierhaltung sind jedoch noch lückenhaft. Die in dieser Arbeit zusammengefassten Ergebnisse liefern einen wesentlichen Beitrag und neue Kenntnisse zu den Folgen des Antibiotikaeinsatzes auf kommensale Bakterien bei Nutztieren sowie innovative Maßnahmen, um potentielle Gefahren für die Umwelt zu minimieren. Im Rahmen mehrerer Studien wurde der Effekt von oralen und parenteralen Antibiotikabehandlungen bei Nutztieren (Schwein, Geflügel) auf kommensale Darmkeime untersucht. Darüber hinaus wurden Daten zur Umweltkontamination in Form von resistenten kommensalen Keimen sowie Antibiotika oder deren Metaboliten im Stall der behandelten Tiere gesammelt. Zudem wurde der Effekt einer antibiotischen Behandlung einer Tiergruppe auf unbehandelte Sentineltiere untersucht. Die Mehrzahl der durchgeführten Antibiotika-Behandlungen führte dabei zu einer Selektion und Amplifizierung von resistenten Darmbakterien bei den medikierten Tieren. Antibiotische Rückstände waren sowohl nach oraler als auch parenteraler Applikation im Stallstaub nachweisbar. Zudem wiesen unbehandelte Sentineltiere nahe der behandelten Tiere messbare Antibiotikaspiegel in Urin und Blut sowie resistente Darmkeime auf. Weiterführende Untersuchungen wiesen darauf hin, dass die direkte Übertragung resistenter Keime eine größere Gefahr bei der Resistenzentstehung unbehandelter Kontrolltiere zu spielen scheint als die Aufnahme subinhibitorischer Antibiotikakonzentrationen aus dem Stallstaub. Um auch zukünftig Infektionskrankheiten bei Tieren mit Antibiotika mit einer positiven Nutzen-Risiko-Bilanz therapieren zu können, wurden verschiedene Maßnahmen hinsichtlich ihrer Eignung untersucht, potentielle Risiken eines Antibiotikaeinsatzes beim Nutztier für die Umwelt (u.a. Rückstände in der Tierumgebung oder Rückstände in der Umwelt durch ausgebrachte Gülle) zu verringern. Zum einen wurde ein Pilz-mediierter Antibiotikaabbau durch Xylaria longipes für das exklusiv in der Veterinärmedizin eingesetzte Fluorchinolon Enrofloxacin untersucht. Die zur Risikoabschätzung bewerteten Parameter der antibakteriellen Restaktivität und der Zytotoxizität demonstrierten, dass diese Methode bestens geeignet ist, um Risiken für die Umwelt nach dem Ausbringen von kontaminierter Gülle zu minimieren. Darüber hinaus wurde nach einer „umweltfreundlichen“ orale Fütterungsform von Antibiotika gesucht, da große Tiergruppen oftmals über eine orale Medikation mit Arzneistoffen behandelt werden und sich dementsprechend Probleme hinsichtlich Rückstandsbildung in der Umwelt sowie Resistenzbildung ergeben können. Dabei zeigte sich, dass in Abhängigkeit von der Fütterungsform unterschiedlich hohe Rückstandsmengen des Antibiotikums im Tierstall nachgewiesen werden konnten, welche mit der Staubentstehung während des Fütterungsvorgangs korrelierten. Unerwartet war die Feststellung, dass die Art der oralen Medikation einen erheblichen Einfluss auf die Resistenzentstehung bei kommensalen Darmkeimen haben kann, was möglicherweise unterschiedlicher Darmpassagezeiten der Formulierungen geschuldet ist. In einem weiteren Ansatz wurde erstmals der Einfluss verschiedener Haltungsformen auf die Resistenzentstehung von kommensalen Keimen bei der oralen antibiotischen Behandlung von Puten untersucht. Unterschiedliche Haltungsformen hatten dabei trotz des variierenden Kontaktes zu kontaminierter Einstreu keinen Einfluss auf die Entstehung von resistenten Keimen, jedoch zeigte sich durch eine Umstallung der Tiere in einen gereinigten Stall ein Vorteil hinsichtlich des Anteils an resistenten Keimen. Die Verlässlichkeit unterschiedlicher Medikationssysteme bei einer oralen Medikation wurde im praktischen Alltag bei der Therapie von Atemwegserkrankungen bei Ferkeln untersucht. Hierfür wurde nicht nur die klinische Beurteilung der Tiere, sondern auch die tatsächlich ins Futter eingemischte Menge des Antibiotikums sowie die Konzentration des Antibiotikums im Plasma der Tiere erfasst. Die Resultate zeigten, dass im Praxisalltag noch immer Probleme bestehen können, was die Verlässlichkeit der verabreichten Antibiotikamenge angeht, da die untersuchten Futterproben z.T. zu geringe Mengen des Antibiotikums bzw. sehr inhomogene Verteilungen aufwiesen. Die klinische Besserung der Patienten ließ darüber hinaus nicht immer einen direkten Rückschluss darauf zu, ob die orale Medikation adäquat durchgeführt worden war. Unter Berücksichtigung des „One-Health“-Konzeptes muss ein umsichtiger Antibiotikaeinsatz angestrebt werden, was noch weiteren Verbesserungen bei der Umsetzung der oralen Medikation bedarf. Um die Effektivität von Antibiotika zu verbessern, die verwendete Menge an Antibiotika zu verringern und Resistenzbildungen zu vermeiden, wurde die Kombination verschiedener Antibiotika mit Substanzen aus der Gruppe der H1-Antihistaminika auf die bakterielle Empfindlichkeit verschiedener Bakterien untersucht. In vitro erwiesen sich verschiedene Wirkstoffkombinationen als synergistisch wirksam (u.a. Mepyramin und Florfenicol). Eine solche Kombination konnte darüber hinaus in vivo beim Schwein der Anteil an resistenten kommensalen Keimen im Gegensatz zur Monotherapie verringern. Zukünftige Studien sind daher erforderlich, um diesen positiven Effekt weiter herauszuarbeiten, z.B. durch verbesserte pharmakokinetische Parameter der Arzneistoffe. Neben neuen Erkenntnissen bzw. ergänzenden Beiträgen zur Resistenzentstehung bei kommensalen Keimen durch den Einsatz von Antibiotika beim Nutztier und zu möglichen Risiken für die Umwelt zeigt die vorliegende Arbeit deutlich, dass noch weiterer Forschungsbedarf besteht, um auch zukünftig eine antibiotische Therapie beim Nutztier mit positiver Nutzen-Risiko-Bilanz durchführen zu können. Hierfür wurde eine Vielzahl an vielversprechenden Ansatzpunkten aufgezeigt. Die gewonnenen Kenntnisse zu möglichen Reduktionsmaßnahmen ausgeschiedener Antibiotika liefern einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz, der Tiergesundheit benachbarter Tiere im Stall und zur Expositionsprophylaxe von im Stall tätigen Menschen. Neue Kenntnisse zur synergistischen Wirkung von Antibiotika mit H1-Antihistaminika betonen zudem die Dringlichkeit weiterer Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Pharmakologie und Pharmazie. Die im Rahmen der vorgestellten Publikationen gewonnenen speziesübergreifenden Erkenntnisse liefern einen wesentlichen Wissenszuwachs auf dem Gebiet der Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie und können zukünftig helfen, die antibakterielle Therapie beim Tier zu optimieren.
In both human and veterinary medicine, antibiotics represent indispensable therapeutic agents in the treatment of various infectious diseases. The increased incidence of treatment failures due to emerging resistance is alarming and needs to be stopped in line with the One-Health approach. However, knowledge of environmental contamination, resistance development in commensal bacteria and possible effects on untreated animals is still incomplete. The results summarized in this thesis provide significant contributions and new insights into the consequences of antibiotic treatments of farm animals on their commensal bacteria as well as innovative approaches to minimize potential risks to the environment. The effect of oral and parenteral antibiotic treatments on commensal intestinal bacteria of pigs and poultry was investigated in several studies. In addition, data on environmental contamination (resistant bacteria, drug residues) were collected and potential risks for untreated animals were evaluated. The majority of antibiotic treatments performed resulted in selection and amplification of resistant intestinal bacteria in the medicated animals. Antibiotic residues were detectable in sedimentation dust and aerosol independently of the dosage form. In addition, untreated animals, which were housed in the same stable, had measurable antibiotic levels in urine and plasma. Furthermore, resistant intestinal commensal bacteria could be found. Additional studies indicated that the latter derive from a direct transmission from the treated animals rather than from absorption of subinhibitory antibiotic drug concentrations in the stable dust. In order to treat infections in animals with antibiotics in the future with a positive risk-benefit balance, i.e. without posing a risk for treated animals or the environment, several approaches were examined. A fungal-mediated degradation of the flouroquinolone enrofloxacin was investigated to contribute the protection of the environment. Since an efficient reduction of antibacterial activity and cytotoxicity was shown, Xylaria longipes seems to be well suited to minimize the potential risk of fecal residues. In addition, we searched for an „environmentally friendly“ oral dosage form of antibiotics since large animal groups are often treated via oral medication with all advantages and disadvantages (i.e. residues in the environment or resistance developement). Depending on the oral dosage form different levels of contaminations of the stable were found, which correlated with the dust formation during the feeding process. Unexpected was the finding that the oral dosage form effects antimicrobial resistance development in commensal intestinal bacteria, which is possibly due to different intestinal transit times. In a further approach, the influence of different housing types on the resistance development of commensal intestinal bacteria during oral antibiotic treatment of turkeys was investigated for the first time. Despite the different types of contact between the animals and contaminated bedding, different housing types had no influence on the antimicrobial resistance development, while frequencies of resistance were significantly different between the unchanged and changed environment. The reliability of different medication systems for oral medication was investigated in a practical setting in the therapy of respiratory diseases in piglets. For this purpose, not only the clinical assessment of the animals, but also the actual amount of the antibiotic mixed into the feed and the concentration of the antibiotic in the plasma of the animals were measured. The results demonstrate that there are still problems with regard to the reliability of the amount of antibiotic administered, as the examined feed samples sometimes exhibited lower amounts of antibiotic than expeted or inhomogeneous distributions. Furthermore, the clinical improvement of the patients did not always correlate with plasma concentrations. Considering the One-Health concept, prudent antibiotic use must be aimed for, which still requires further improvements in the implementation of oral medication. In order to improve the effectiveness of antibiotics, to reduce the amount of antibiotics used and to avoid resistance development, the combination of antibiotics with H1-antihistaminic compounds was investigated on bacterial susceptibility of different bacteria. While several combinations demonstrated a synergistic effect in vitro (e.g. mepyramine and florfenicol), a combination therapy in pigs resulted in diminshed amounts of resistant commensal intestinal bacteria in vivo. Future studies are therefore required to further elaborate this beneficial effect, e.g. by improved pharmacokinetic parameters of the drugs applied. Besides new findings and supplementary contributions on resistance development and possible risks for the environment due to antibiotic treatment, the present study demonstrates that there is still need for research in order to perform antibiotic therapies in farm animals with a positive risk-benefit balance in the future. Therefor various promising approaches were pointed out. The knowledge gained on possible reduction measures of drug residues provides an important contribution to environmental protection, animal health of neighboring animals and exposure prophylaxis of humans working in the stable. New knowledge about the synergistic effect of antibiotics with H1-antihistaminic compounds also emphasizes the urgency of further research activities in the field of pharmacology and pharmaceutics. In summary, the cross-species findings of the presented publications provide a significant gain in knowledge in the field of pharmacology, toxicology and pharmacy and can help to optimize the antibiotic therapy in animals in the future.
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