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Veränderung braucht Problembewusstsein : Tierhalter:innen unterschätzen die Prävalenz ihrer lahmen Kühe

Lahmheit bei Milchkühen stellt eine der größten Herausforderungen in der derzeitigen Milchkuhhaltung dar - mit massiven Auswirkungen auf das Tierwohl, die Fruchtbarkeit, die Lebensleistung und den ökonomischen Erfolg des Betriebes. Trotz zahlreicher Studien und Bemühungen verschiedener Seiten bleiben die Prävalenzen lahmer Kühe weiter hoch. Eine mögliche Ursache ist, dass Tierhalter:innen sich ihrer lahmen Kühe nicht bewusst sind. Ziel dieser Arbeit war es, zu untersuchen, wie gut die Einschätzung der Tierhalter:innen hinsichtlich des Anteils lahmer Kühe ist und zu erkunden, mit welchen Faktoren ein mangelndes Problembewusstsein zusammenhängt. Im Rahmen der PraeRi-Studie wurden insgesamt 765 zufällig ausgewählte Milchkuh-Betriebe in drei strukturell unterschiedlichen Regionen Deutschlands einmalig besucht. Auf diesen Betrieben wurde durch geschulte Tierärzt:innen der Anteil lahmer Kühe bestimmt. Eine Kuh wurde dann als lahm angesehen, wenn sie mit einem Score ≥ 3 nach Sprecher et al. (1997) bewertet wurde bzw. bei Anbindehaltung ≥ 2 Kriterien des Stall Lameness Score (Leach et al., 2009) erfüllte. Zugleich wurden die Tierhalter:innen gefragt, wie viele ihrer Kühe aktuell „lahm oder nicht rund“ laufen. Darüber hinaus wurden Fragen zur Ausbildung und Einstellung der Tierhalter:innen, zur Struktur des Betriebes und zum Management gestellt. Schließlich wurden die Tierhalter:innen gebeten, einen kurzen HEXACO-Fragebogen auszufüllen. Aus der durch die Tierhalter:innen geschätzten Prävalenz und der durch die Tierärzt:innen beobachteten wurde der Quotient gebildet (Farmers´ Detection Index; FDI). Dieser beschreibt den Anteil lahmen Kühe, dessen die Tierhalter:innen sich bewusst sind. Zusammenhänge zwischen der Betriebsstruktur, dem Klauenpflege-Management, der Einstellung und der Persönlichkeit der Tierhalter:innen mit dem FDI wurden explorativ untersucht. Die mediane Prävalenz lahmer Kühe, die durch die Studientierärzt:innen festgestellt wurde, betrug in den drei Regionen 23,1% (Nord), 39,1% (Ost) bzw. 23,2% (Süd). Demgegenüber schätzten die Tierhalter:innen die Prävalenz auf ihren Betrieben im Median auf 9,5% (Nord), 9,5% (Ost) bzw. 7,1% (Süd). Die Tierhalter:innen waren sich nicht einmal jeder zweiten (Nord), vierten (Ost) bzw. dritten (Süd) lahmen Kuh bewusst (Median des FDI: .42,9% (Nord), 24,0% (Ost), 30,0%(Süd)). Insbesondere hinsichtlich der Betriebsstruktur und der Einstellung der Tierhalter:innen zeigten sich Zusammenhänge mit dem FDI. So hatten beispielsweise ökologisch wirtschaftende Betriebe einen signifikant höheren FDI als konventionell wirtschaftende Betriebe. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass viele Tierhalter:innen den Anteil lahmender Kühe deutlich unterschätzen. Es werden erste Ideen abgeleitet, woher das mangelnde Problembewusstsein von Tierhalter:innen stammt. Lösungsorientiert werden Möglichkeiten diskutiert, wie sich die Einschätzung verbessern lässt, um bei den Tierhalter:innen eine höhere Motivation zur Bekämpfung und Prävention von Lahmheit zu fördern.

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