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Infektionskrankheiten : ein Risikofaktor für Schwanzbeißen bei Schweinen mit nicht kupierten Schwänzen?

Schwanzbeißen ist eine multifaktorielle Verhaltungsstörung bei Schweinen, die das Wohlbefinden der „Beißer“ und gebissenen Tiere erheblich beeinträchtigt. Schwanzbeißen kommt – mit teils sehr unterschiedlichen Häufigkeiten – bei allen Rassen und in allen Formen der Schweinehaltung vor. Schweine mit nicht kupierten Schwänzen haben ein höheres Risiko für Bissverletzungen am Schwanz als Schweine mit kupierten Schwänzen. Als Auslöser von Schwanzbeißen ist eine Vielzahl von Risikofaktoren bekannt, die zu einer Über- oder Unterforderung der Schweine führen. Zu den das Anpassungsvermögen überfordernden Risikofaktoren gehören grundsätzlich auch Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes. Die Bedeutung von Infektionskrankheiten als Auslöser von Schwanzbeißen wird bisher hauptsächlich aus Organbefunden abgeleitet, die nach der Schlachtung erhoben wurden. Die Assoziation von Pneumonie und Schwanzverletzungen gibt entsprechende Hinweise. Studien, die diesen Zusammenhang direkt anhand von Untersuchungen in Schweinebeständen prüfen, wurden bisher kaum durchgeführt. In den Ländern (Finnland, Norwegen, Schweden, Schweiz), in denen das Amputationsverbot in der Praxis der landwirtschaftlichen Schweinehaltung bereits konsequent umgesetzt wird, sind Erreger von Infektionskrankheiten, wie PRRSV, M. hyopneumoniae und A. pleuropneumoniae eliminiert oder werden strikt kontrolliert. Die Frage, ob in der Schweinpopulation in Deutschland verbreitete Infektionen bei der Haltung von Schweinen mit nicht kupierten Schwänzen das Risiko für Schwanzbeißen steigern, ist daher von besonderem Interesse. Die vorliegende Untersuchung wurde in einem Mastbetrieb durchgeführt. Für die Mast wurden etwa 30 kg schwere Schweine mit nicht kupierten Schwänzen aus einer Freilandhaltung zugekauft. Die Schweine waren beim Absetzen (ca. 30. Lebenstag) gegen PRRSV, PCV2 und M. hyopneumoniae geimpft worden. Zum Zeitpunkt der Einstallung zur Mast hatten alle Schweine intakte Schwänze. Die Untersuchung umfasste neun Mastgruppen mit insgesamt 1676 Tieren und erstreckte sich auf 14 Monate. Sechs der Mastgruppen waren in einem Außenklimastall mit Stroheinstreu und drei Gruppen in einem geschlossenen konventionellen Stall mit Teilspaltenboden (strohlos) untergebracht. Der Platz pro Tier lag zwischen 1,2m² (Außenklimastall, Mastbeginn), 1,5m² (konventioneller Stall) und 1,7m² (Außenklimastall, Mittel-/Endmast). Die klinische Befunderhebung wurde in zweiwöchigen Intervallen und die Blutentnahmen für die serologischen Verlaufsuntersuchungen im Abstand von vier Wochen durchgeführt. Die Stichprobe für die Blutentnahme umfasste 22 Tiere pro Gruppe. Verletzungen durch Schwanzbeißen waren insgesamt nur bei wenigen Schweinen festzustellen und traten bei den Schweinen im konventionellen Stall (1,8%) nicht häufiger als bei den Schweinen im Außenklimastall (1,3%) auf (p=0,42). Anhand von Serokonversionen konnten in allen Gruppen Infektionen mit Influenzavirus A festgestellt werden, die in fünf der Gruppen mit klinischen Symptomen einer Atemwegserkrankung einhergingen. Serokonversionen gegen PRRSV und M. hypopneumoniae ließen auf Infektionen der zuvor geimpften Schweine schließen, während sich klinische Erkrankungen den Serokonversionen nicht oder nicht sicher zuordnen ließen. Die Seroreaktionen und klinischen Befunde gaben keine Hinweise auf PCV2 assoziierte Erkrankungen bei den, gegen diesen Erreger geimpften Schweinen. Serokonversionen gegen A. pleuropneumonaie waren in drei Gruppen nachzuweisen; in einer Gruppe bestand ein zeitlicher Zusammenhang zu Atemwegserkrankungen. In acht Gruppen waren zudem Infektionen mit L. intracellularis nachzuweisen; Anzeichen einer klinischen Erkrankung wurden nicht festgestellt. Als Ursache von Durchfallerkrankungen konnten mittels PCR Infektionen mit Brachyspira pilosicoli ermittelt werden. Klinische Erkrankungen wurden jeweils nach den Grundsätzen der guten veterinärmedizinischen Praxis behandelt. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass Infektionen mit häufig in der Schweinepopulation in Deutschland vorkommenden Erregern nicht zwangsläufig zu Schwanzbeißen bei Schweinen mit nicht kupierten Schwänzen führen. Die Häufigkeit von Bissverletzungen an Schwänzen lag bei den nicht kupierten Schweinen mit einem Mittelwert von 1,5% unter den Werten, die bei kupierten Schweinen in Deutschland bei der Schlachtung erhoben werden. Unter den im Studienbetrieb und dem vorgelagerten Ferkelerzeugerbetrieb gegebenen Haltungs- und Managementbedingungen und bei bestehendem Impfschutz gegen PRRSV, PCV2 und M. hyopneumoniae konnten die Schweine die Belastungen, die mit den (behandelten) Erkrankungen und möglicherweise auch den Infektionen einhergingen, offenbar gut kompensieren.

Tail biting is a multi-factorial behavior disease in pigs, which substantially endangers the welfare of the biters and bitten animals. In varying frequencies, tail biting occurs in all breeds as well as all forms of housing conditions. Pigs with non-docked tails have a higher risk of bite injuries on the tail than pigs with docked tails. A variety of risk factors are known to trigger tail biting, leading the pigs to be either too challenged or not challenged enough. Among the risk factors that overload the coping strategy are basically also impairments of the health status. The relevance of infectious diseases as triggers for tail biting has so far mainly been derived from slaughter findings. The association of pneumonia and tail lesion provides appropriate indications. So far, studies that directly test this association on the basis of studies in pig herds have hardly been carried out. In countries (Finland, Norway, Sweden, and Switzerland) where the ban of tail docking is already consistently implemented in the practice of agricultural pig farming, pathogens of infectious diseases such as PRRSV, M. hyopneumoniae, and A. pleuropneumoniae are either eliminated or controlled. Therefore, the question of whether infections common in the pig population in Germany increase the risk of tail-biting when housing pigs with non-docked tails is of particular interest. The present study was carried out in a fattening herd. For fattening, pigs with non-docked tails and a weight of about 30 kg were purchased from an outdoor husbandry. The pigs had been vaccinated against PRRSV, PCV2, and M. hyopneumoniae at weaning (approx. 30 days of life). At the beginning of the fattening period, all pigs had intact tails. The study included nine fattening groups with a total of 1,676 animals and covered a period of 14 months. Six of the fattening groups were housed in an outdoor climate barn with straw bedding. Three groups were housed in a conventional barn with a partly slatted floor without bedding. The space per animal was between 1.2 m² (outdoor climate barn, begin of fattening), 1.5 m² (conventional barn) and 1.7 m² (outdoor climate barn, middle/end of fattening). The clinical examination was performed in two-week intervals, and the blood sampling for the serological longitudinal study was performed in four-week intervals. The sample for the blood sampling included 22 animals per group. Injuries due to tail biting were observed in only a few pigs and did not occur more frequently in the pigs of the conventional barn (1.8%) than in the pigs of the outdoor climate barn (1.3%) (p=0.42). Seroconversion revealed infections with influenza virus A in all groups, which were accompanied by clinical symptoms of respiratory disease in five of the groups. Seroconversions to PRRSV and M. hypopneumoniae were found in previously vaccinated pigs, while clinical diseases could not or not reliably be attributed to seroconversions. The seroreactions and clinical findings did not indicate PCV2-associated diseases in the pigs vaccinated against this pathogen. Seroconversions against A. pleuropneumonia were detected in three groups. In one group, a temporal connection to respiratory diseases was detected. In eight groups, infections with L. intracellularis were also detected; no signs of a clinical disease were found. Via PCR, infections with Brachyspira pilosicoli could be detected as a cause of diarrhea. Clinical diseases were treated according to the principles of good veterinary practice.The results of the study show that infections with agents frequently found in the pig population in Germany do not necessarily lead to tail biting in pigs with non-docked tails. With a mean of 1.5%, the frequency of tail lesions was lower than the values recorded for docked pigs at slaughter in Germany. Under the housing and management conditions given in the study herd and the upstream piglet producer, and with a vaccination induced immunity against PRRSV, PCV2, and M. hyopneumoniae, the examined pigs were able to compensate well for the stress associated with the (treated) diseases and possibly also the infections.

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