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Effect of anthropogenic underwater noise on harbour porpoise hearing in areas of high ecological importance

Die durch den Menschen verursachte Lärmverschmutzung in den Meeren stellt eine erhebliche Bedrohung unvorhersehbaren Ausmaßes für die Biodiversität dar. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit möglichen Auswirkungen von Lärm auf marine Organismen findet erst seit kurzem statt und ist noch lange nicht abgeschlossen. Anthropogener Unterwasserlärms entsteht unter anderem als unbeabsichtigtes Nebenprodukt der Schiffverkehr oder durch Bauarbeiten. Akustische Signale werden aber auch gezielt verwendet um Meeressäuger zu vergrämen oder zur Navigation mit Sonaren. Die in dieser Dissertation behandelte Zielart ist der Schweinswal (Phocoena phocoena) als einziger Vertreter der Wale in deutschen Gewässern. Als Vertreter der Zahnwale erfasst der Schweinswal seine Umgebung mittels Echoortung akustisch, sodass eine große Abhängigkeit von einem intakten Gehör besteht. Schweinswale reagieren dementsprechend besonders sensibel auf Störungen durch Lärm. Da diese fast ununterbrochen jagen müssen, um ihren hohen Energiebedarf aufrechtzuerhalten, wird von einer sehr geringen Resilienz gegenüber Störungen ausgegangen. Die vorliegende Studie bewertet unterschiedliche Lärmquellen hinsichtlich ihrer Funktion als Antagonisten der akustischen Wahrnehmung für Schweinswale. Das Ziel richtet sich hierbei auf das Auffinden von Lücken in der aktuellen Schallregulierung und der Schaffung eines Bewusstseins bezüglich der naiven Anwendung akustischer Geräte. Zu diesem Zweck werden die möglichen Auswirkungen von drei unterschiedlichen Lärmquellen auf das Gehör von Schweinswalen behandelt. Als erstes wurde durch einen Simulationsansatz ermittelt, ob das aktuelle Schallschutzkonzept für Rammarbeiten in Offshore Windparks einen ausreichenden Schutz bietet, um eine temporäre Hörschwellenverschiebung (TTS), das heißt reversible Verschlechterung des Gehörs, durch mehrere Rammschläge zu verhindern. Hierfür wurde während des Baus eines Offshore Windparks (OWP) Unterwasserschall aufgenommen und die Schallenergiepegel (SEL) von Einzelschlägen ermittelt, mit denen die Schallausbreitung modelliert werden konnte. Die aktuellen Lärmschutzbestimmungen zielen darauf ab, eine TTS durch Einzelschläge bis in eine Entfernung von 750 m zu verhindern. Das modellierte Schallfeld zeigt jedoch, dass Rammschläge in Entfernungen von bis zu 5,4 km ausreichend Energie besitzen, um eine TTS nach einer Mehrfachbeschallung auszulösen. Als neue Einheit zur Bewertung des Gefährdungspotentials wurde die „minimale Vergrämungsdistanz“ (MVD) eingeführt, die für vier getestete Schwimmgeschwindigkeitsstufen zwischen 2,3 und 4,7 km bestimmt wurde. Die MVD markiert die Mindestentfernung zur Schallquelle, in der sich Schweinswale bei Beginn der Rammarbeiten befinden müssen, um einer TTS durch Flucht zu entkommen. Der Simulationsansatz unterstützt die derzeitig angewandte Lärmregulierung in Deutschland mit einer begrenzten Maximalenergie für Einzelschläge, einem „soft start“ und einer vorherigen Vergrämung mit Seal Scarern. Im zweiten Teil wurde getestet, ob ein Seal Scarer das Potential besitzt, ein TTS bei Schweinswalen zu induzieren. Hierfür wurden Hörtests mit einem Schweinswal in menschlicher Fürsorge vor und nach der Exposition mit künstlichen Seal Scarer Signalen durchgeführt. Das ermüdende Signal bestand aus einem 0,5 s langen 14 kHz Sinuston mit vier Oktav-Obertönen mit abnehmenden Amplituden. Die Hörschwellen wurden anhand auditorisch evozierter Potentiale (AEP) bestimmt. Schallexpositionen mit mehr als 142 dB re 1 µPa²s induzierten eine signifikante TTS bei einer Hörfrequenz von 20 kHz und ab 147 dB re 1 µPa²s bei 28 kHz. Unter der Annahme eines theoretischen Ausbreitungsverlusts zwischen zylindrischer und kugelförmiger Ausbreitung könnte ein TTS in Entfernungen zwischen 211 m und 5,9 km durch eine einzelne Exposition induziert werden. Basierend auf diesen Befunden wurde eine Senkung des Quellschallpegels von Seal Scarern empfohlen. Als Drittes wurde eine akustische Strömungsmessanlage im Hamburger Hafen hinsichtlich ihres Potentials untersucht, eine TTS bei Schweinswalen hervorzurufen. Dieses Projekt wurde von der Hamburg Port Authority initiiert, nachdem mehrere tote Schweinswale in diesem Gebiet der Elbe strandeten. Der Schiffverkehr ist in diesem Bereich sehr hoch und Schweinswale könnten durch vorbeifahrende Schiffe in den Gefahrenbereichen abgedrängt werden. Die Unterwasserschallaufnahmen der akustischen Signale der Strömungsmessanlage wurden an Bord eines Schiffes durchgeführt und das Schallfeld anschließend modelliert. Die Strömungsmessanlage verwendet kurze Signale mit einer Frequenz von 28 kHz, die in einem stark gerichteten Kegel und einer Pulsfrequenz von 4,1 s von zwei Positionen auf gegenüberliegenden Seiten des Flusses emittiert werden. Ein TTSonset für eine Einfachbeschallung wurde mittels Hörversuchen mit einem Tier in menschlicher Fürsorge ermittelt, während der Schwellenwert für eine Mehrfachbeschallung Literaturbasiert ist. Ein maximaler SEL von 165 dB re 1 µPa²s wurde bestimmt. Einzelne Signale überschritten den SEL-TTSonset von 138 dB re1 µPa²s bis in eine Entfernung von 72 m. Der Empfang mehrerer Schallsignale wurde für Schweinswale simuliert, die an der Strömungsmessanlage entlang wandern. Die empfangenen Pegel sind aufgrund des Timings und der hohen Richtwirkung der Strömungsmessanlage sehr variabel. Obwohl die Gefahrenzonen vergleichsweise klein sind und Schweinswale höchstwahrscheinlich die Signale in großen Entfernungen wahrnehmen können, wurde empfohlen den Quellschallpegel zu senken. In den drei vorgestellten Kapiteln dieser Arbeit konnte eine Entwicklung des Verständnisses von Unterwasserlärmeffekten gezeigt werden. Der Eintrag von Unterwasserlärm kann absichtlich oder unbeabsichtigt erfolgen, kann bereits reguliert sein oder es werden Versuche zu deren Regulierung unternommen. Teilweise werden sogar Alternativen gesucht um Lärmquellen zu ersetzen. Die Arbeiten in dieser Dissertation zeigen, dass in all den vorgestellten Szenarien Verbesserungspotential in der Schallregulierung besteht. Diese Arbeit erweitert den aktuellen Kenntnisstand in der Bewertung des Potenzials zur Auslösung einer TTS, wird jedoch vor allem dazu beitragen, den richtigen Ansatzpunkt zu finden, an dem Regulierungen am effektivsten sind. Die vorgestellten Studien zeigen Wissenslücken im Verständnis von Hörschwellenverschiebungen bei Schweinswalen. Zukünftige Forschungsvorhaben sollten sich diesen widmen.

Although aquatic noise pollution has been recognized as a key threat to biodiversity at an unpredictable scale, the scientific discussion about effects on marine life has just evolved over the last decades and is ongoing. Anthropogenic underwater noise occurs as an unintended by-product, e.g. from shipping or construction work, but can also be on purpose, e.g. to deter marine mammals or for acoustic localisation with sonars. Especially the evaluation of the impacts on marine wildlife is in focus in modern science. The species of interest in this thesis is the harbour porpoise (Phocoena phocoena), as the only cetacean representative in German waters. Beyond that, these animals are particularly vulnerable to interferences by noise due to their dependence from acoustically sensing their environment. They demonstrate a very low resilience to disturbance, as they need to forage almost continuously to maintain their high energy demands. The main goal of this thesis is to assess the effect of noise disturbance from different sources as an antagonist, interfering with acoustic perception of the habitat. This helps to shed light on gaps in noise regulation and raises attention to the naive application of acoustic devices. This thesis comprises evaluations of three different noise sources with potential effects on harbour porpoise hearing. Firstly, to reveal the potential of multiple pile driving strikes to induce a temporary threshold shift (TTS) under current German noise regulations, simulation approaches were conducted. During the construction of an offshore wind farm underwater noise was recorded and sound exposure levels (SEL) of single strikes were determined. This served for modelling the sound propagation. Current noise regulations target single strikes up to a distance of 750 m for preventing a TTS. However, the modelled sound field demonstrates that pile driving strikes at distances up to 5.4 km contain sufficient energy, to induce a TTS after a repeated reception. The “minimum deterrence distance” (MDD) was introduced as a novel protective unit, which was determined between 2.3 and 4.7 km for four tested swim speed levels. The MDD marks the minimum distance to the pile driving site, at which an animal must located, to be able to escape a TTS by a flight. The simulation approach supports the current noise regulation in Germany with a single strike SEL, a soft start and prior deterrence with seal scarers. Secondly, a seal scarer was tested for its potential to induce a TTS in harbour porpoises. Hearing tests with a harbour porpoise in human care prior to and after the exposure to artificial seal scarer signals were conducted. The fatiguing signal consisted of a 0.5 s pure tone at 14 kHz with four octave overtones with decreasing amplitudes. Hearing thresholds were measured by monitoring the auditory evoked potential (AEP) response. Exposures exceeding a sound exposure level of 142 dB re 1 µPa²s induced a significant TTS at a hearing frequency of 20 kHz and at 28 kHz for SELs above 147 dB re 1 µPa²s. Assuming a theoretical transmission loss between cylindrical and spherical spreading, a TTS could be induced at distances between 211 m and 5.9 km by a single exposure. Based on these findings a down-regulation of seal scarer source levels was recommended. Thirdly, an acoustic flowmeter (AFM) was evaluated in the port of Hamburg for its potential to induce a TTS in harbour porpoises. The Hamburg Port Authority initiated this project after several dead harbour porpoises stranded in this area of the Elbe River. These animals could be forced in hazard areas by passing vessels, which occur in high numbers in this area. Therefore, AFM signals were recorded underwater on board of a vessel for modelling the acoustic field. The AFM transmits short signals with a peak frequency at 28 kHz in a highly directional beam and at a pulse rate of 4.1 s from two positions at opposite sides of the river. A TTSonset for a single exposure was derived from sound exposure experiments with an animal in human care and for multiple exposures suggested from literature. A maximum SEL of 165 dB re 1 µPa²s was determined. Single pulses exceeded the SEL-TTSonset of 138 dB re 1 µPa²s up to distances of 72 m. The reception of multiple pulses was simulated for travelling harbour porpoises. The received levels are highly variable due to the timing and high directionality of the AFM. Although hazard zones are comparably small and signals are assumed to be heard at large distances, a down-regulation of the AFM source level was suggested. Within the three presented chapters of this thesis, an evolution of the understanding noise effects could be shown. The introduction of underwater noise can be on purpose or unintended, is already regulated or its regulation is currently in progress as well as possibly replaced by alternatives. The contributions of this thesis demonstrate that improvements in noise mitigation are required in all of these exemplified scenarios. This thesis complements studies assessing the potential to induce a TTS. Far more important it will help to find the right starting point, where adjustments in regulations are most effective. Moreover, the presented studies indicate gaps in the understanding of TTS, which should be addressed in future research.

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