Schulterulzera bei Zuchtsauen : Erstellung sowie Validierung von Bewertungsschemata zur Identifikation tierschutz-relevanter Schweregrade und Prophylaxemaßnahmen
Die vorliegende Arbeit umfasst eine Untersuchung zur klinischen Klassifikation verschiedener Schweregrade von Schulterulzera bei Zuchtsauen (Studie 1) und eine Untersuchung zur Prävention von Schulterulzera (Studie 2). Schulterulzera gehören zu den bei Zuchtsauen häufig vorkommenden Erkrankungen. Die Erkrankung nimmt ihren Anfang fast ausschließlich während der Geburt und entwickelt sich oft während der anschließenden Laktation weiter. Mit zunehmender Krankheitsdauer nehmen die Gewebeschäden in ihrer flächenhaften als auch in die Tiefe gehenden Ausdehnung zu. Von besonderem Interesse bei der Bewertung der Schweregrade von Schulterulzera ist die Differenzierung oberflächlicher von tiefgehenden Veränderungen. Tiefgehende Schulterulzera können, wie aus typischen Verhaltensänderungen bei den betroffenen Schweinen (Liegeverhalten, Reaktion auf Palpation des veränderten Gewebes) sowie dem Nachweis von entzündlichen Gewebereaktionen und dem Vorkommen traumatischer Neurome im Bereich der Schulterulzera abzuleiten ist, zu erheblichen Schmerzen führen. In ihrer Schwere vergleichbare Ulzera/Dekubitus beim Menschen werden von diesen als „schmerzhaft“ bis „grauenvoll“ beschrieben. Studie 1 wurde mit dem Ziel durchgeführt, ein klinisches Bewertungsschema zu erstellen, das eine Unterscheidung oberflächlicher, auf Epidermis und Dermis beschränkter Läsionen von tiefgehenden Schulterulzera erlaubt, in die auch die Subkutis und teils das darunterliegende Knochengewebe einbezogen ist. An einem Schlachthof wurden 180 Sauen selektiert. Die Stichprobe war so gewählt, dass jede Stufe eines insgesamt sechsstufigen pathohistologischen Referenzscore Proben von 30 Sauen umfasste. Die Schultern der Sauen waren vor der Schlachtung einer klinischen Untersuchung unterzogen worden. Nach der Schlachtung wurden, einem standardisierten Probenentnahmeprotokoll folgend, von einer Schulter jeder Sau Proben aus fünf Lokalisationen entnommen. Nach Fixierung und Aufarbeitung des Materials mittels Standardverfahren wurden die histologischen Schnitte einer Hämatoxylin-Eosin-Färbung sowie Toluidinblau-Färbung unterzogen und anschließend bewertet. Mittels logistischer Regression wurde geprüft, für welche klinischen Befunde bzw. Befundkombinationen eine Assoziation mit dem pathohistologischen Referenzscore festzustellen war. Mit diesem Vorgehen wurden drei klinische Befunde, Durchmesser von Wundsekret (cm), Randwall (ja/nein) und Umfangsvermehrung (ja/nein) selektiert, deren Vorkommen die Differenzierung tiefgehender, auch die Subkutis bzw. Subkutis und Knochengewebe betreffende Schulterulzera von oberflächlichen Läsionen erlaubt. Für die praktische Anwendung wurden vier Wahrscheinlichkeitskurven erstellt, die es dem Untersucher erlauben, anhand des Durchmessers des Wundsekretes und des Vorkommens/Fehlens der anderen Befunden festzustellen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine erkrankte Sau von einem oberflächlichen oder tiefgehenden Schulterulkus betroffen ist. In Studie 2 wurde untersucht, ob sich eine klinische Untersuchung, die auf das Vorkommen der drei wichtigsten Risikofaktoren – mäßiger Ernährungszustand, Lahmheit, narbig verheiltes Schulterulkus infolge einer früheren Erkrankung – abzielt, geeignet ist, bereits etwa eine Woche vor dem Abferkeln die Erkrankung an einem Schulterulkus zu prognostizieren. Sauen, bei denen wenigstens einer der genannten Risikofaktoren vor der Geburt festgestellt werden konnte, hatten eine statistisch signifikant höhere Chance (OR 5,55, p<0,0001) während der nachfolgenden Geburt ein Schulterulkus zu entwickeln, als Sauen bei denen keines der genannten Risiken zutraf. Bei Sauen (Risiko-Sauen), für die anhand der genannten Befunde mindestens ein Risiko prognostiziert worden war, wurde anschließend geprüft, ob mit der präventiven Ausstattung der Abferkelbucht mit einer weichen Gummimatte (PORCA fix D, 65 cm x 125 cm, 2cm Dicke, Gummiwerk KRAIBURG Elastik GmbH & Co. KG, Tittmoning, Deutschland) eine Erkrankung zu verhindern ist. Für diese Untersuchung waren die Risiko-Sauen zufällig der Abferkelung in einer präventiv mit Gummimatte ausgestatteten oder einer Abferkelung in einer mit Kunststoff-Vollspaltenboden ausgestatteten Standardbucht zugeordnet worden. Risiko-Sauen die präventiv in einer mit Gummimatte ausgestatteten Abferkelbucht untergebracht waren hatten eine signifikant reduzierte Chance (OR= 0,54, p=0,0358) ein Schulterulkus zu entwickeln als Sauen, die zur Abferkelung in einer Standardbucht untergebracht worden waren. Die Kombination aus einer vorgeburtlichen klinischen Untersuchung zur Bewertung des Risikos an einem Schulterulkus zu erkranken und die präventive Ausstattung der Abferkelbucht mit einer Gummimatte ist damit geeignet, die Erkrankungsrate signifikant zu reduzieren.
The present thesis includes a study on the clinical classification of the different degrees of severity of shoulder ulcers in breeding sows (study 1) and a study on the prevention of shoulder ulcers (study 2). Shoulder ulcers are a frequently occurring disease in breeding sows. The onset of disease is almost exclusively during farrowing and often continues to develop during the subsequent lactation. With increasing duration of the disease, tissue damage spreads in both breadth and depth. Of particular interest when assessing the severity of shoulder ulcers is the differentiation of superficial from profound lesions. Shoulder ulcers with deep extending lesions can cause considerable pain deduced from typical behavioural changes (postural changes, behavioural response towards palpation of the shoulder ulcer) in the affected sows as well as the detection of inflammatory tissue and the occurrence of traumatic neuromas in the area of the shoulder ulcers. Decubitus ulcers in humans, that are comparably severe, are described by affected people as “painful” to “horrible”. The aim of study 1 was to establish a clinical evaluation scheme allowing a distinction between superficial shoulder ulcers limited to epidermis and dermis and profound shoulder ulcers with affected subcutis and bone tissue. At a slaughterhouse 180 sows were selected and clinically examined. The sample size was chosen so that each step of a six-stage histopathological score (reference standard) included samples from 30 sows. After slaughter, samples were taken from five locations on each sow, following a standardised sampling scheme. Afterwards, the samples were fixed and processed by standard methods. The histological sections were stained with haematoxylin and eosin as well as toluidine blue staining and then evaluated. By means of logistic regression, it was examined for which clinical parameters or combinations an association with the histopathological evaluation scheme could be determined. Based on this evaluation, three clinical parameters, diameter of scab (cm), proliferation of wound margins (yes/no) and mass (yes/no), were selected regarding their occurrence to allow a differentiation between profound and superficial shoulder ulcers. Four probability curves were created for clinical use, allowing the investigator to determine the probability of a diseased sow being affected by a superficial or deep shoulder ulcer, based on the previously measured diameter of the scab and the presence/ absence of other parameters. Study 2 examined whether a clinical examination of the three most important risk factors - poor body condition, lameness, scarred shoulder ulcer as a result of previous illness - was likely to predict the disease, a shoulder ulcer, approximately one week before farrowing. Sows that had at least one of the risk factors identified before farrowing had a significantly higher chance (OR= 5.55, p<0.0001) of developing a shoulder ulcer during subsequent farrowing than sows where none of the risks applied. In the case of the animals classified as sows at risk, it was then examined whether the shoulder ulcer development could be prevented by equipping the farrowing pen with a soft rubber mat (PORCA fix D, 65 cm x 125 cm, 2cm thickness, Gummiwerk KRAIBURG Elastik GmbH & Co. KG, Tittmoning, Germany). For this study, the sows at risk had been randomly assigned to the group of sows farrowing in a pen equipped with a rubber mat or farrowing in a standard pen with a fully slatted plastic floor. Sows at risk that had been housed in a pen with a preventively equipped rubber mat had a significant reduced chance (OR=0.54, p=0.0358) of developing a shoulder ulcer than sows at risk that had been fed in a standard pen. The combination of a pre-farrowing clinical examination to assess the risk of developing a shoulder ulcer and the preventive measure of furnishing the farrowing pen with a rubber mat is thus suitable for significantly reducing the morbidity.
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