Saisonale Aktivität und Reproduktionsbiologie von Grauen Mausmaki-Männchen (Microcebus murinus, J.F. Miller 1777) in Nordwest-Madagaskar
Ziel dieser Studie ist es, erstmals Daten zur saisonalen Aktivität der Lemurenart Microcebus murinus über einen gesamten Jahreszyklus im laubabwerfenden Trockenwald von Ampijoroa, Nordwest-Madagaskar, zu erfassen unter besonderer Berücksichtigung der Reproduktions-strategien der Männchen. Von Mai 1998 bis April 1999 wurden mit der Fang-Wiederfangmethode 105 (68 Männchen, 37 Weibchen) verschiedene Individuen in einem ca. 30 ha großen Untersuchungsgebiet gefangen. Die errechnete Populationsdichte schwankte zwischen 75 Tieren/km² in der Regenzeit und 148 Tieren/km² in der Trockenzeit. In allen Monaten des Jahres konnten sowohl Weibchen als auch Männchen gefangen werden. In keinem Monat wurde eine signifikante Abweichung von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis (1:1) festgestellt. Saisonaler Torpor konnte weder bei Männchen noch bei Weibchen festgestellt werden. Vor Beginn der Paarungszeit im September nahmen die Hodenvolumina und Körpergewichte aller gefangenen Männchen zu und während der Paarungszeit wieder signifikant ab. Eine erneute Zunahme der Hodenvolumina wurde im November festgestellt. 12 mit Radiotransmittern ausgestattete Männchen wurden in Hinblick auf Schlafplatzwahlen, Nahrungsverhalten, soziale Interaktionen, Nachtwanderstrecken und Aktionsraumnutzung untersucht. Die Männchen wiesen saisonal voneinander abzugrenzende Strategien in der Schlafplatzwahl auf, die bedingt sein könnten durch saisonale Veränderungen im Habitat, Prädatorendruck und/oder Parasitenbefall. 1244 (427 verschiedene) Schlafplätze wurden erfaßt. In der Trockenzeit schliefen die Männchen im Mittel mehr als doppelt so häufig in Höhlen als an offenen und ungeschützten Plätzen. Die Tiere hatten einige bevorzugte Schlafplätze, zu denen sie bis zu 27 Mal zurückkehrten. Am Ende der Trockenzeit konnten zwischen Männchen 33 Mal Schlafgruppenbildungen ohne Weibchenbeteiligung beobachtet werden. Nur residente Männchen schliefen mehr als einmal zusammen. In der Regenzeit waren ca. 90 % der aufgesuchten Schlafplätze offen im Gestrüpp/Blattwerk vorzufinden. An mehr als der Hälfte der Tage suchten die Tiere einen Schlafplatz ein- bis zweimal auf. Mehr als 331 Stunden nächtlicher Fokusbeobachtungen wurden analysiert. Die bevorzugte aufgenommene Nahrung und die Aufenthaltshöhe wechselten monatlich und schienen den saisonalen Veränderungen der Vegetation angepaßt zu sein. In der Trockenzeit konnten als Nahrung vor allem Baumexsudate und Insektensekrete, zu Anfang der Regenzeit Insekten und Früchte, Nektar in der Folgezeit und gegen Ende der Regenzeit Früchte sowie wiederum Baumexsudate beobachtet werden. In der Regenzeit könnten Mausmakis eine wichtige Rolle bei der Blütenbestäubung der Baumart Canthium sp. spielen, an der die Männchen im Januar fast ausschließlich während des Nahrungsaufnahme beobachtet wurden, ohne bei der Nektaraufnahme die Blüten zu zerstören. Es konnte mit dieser Studie erstmals belegt werden, daß bei M. murinus im Freiland zwei zeitlich klar voneinander getrennte Paarungszeiten mit damit korrelierenden Geburtenzeiten innerhalb einer Fortpflanzungsperiode vorkamen. Die erste Paarungszeit begann im September, gefolgt von einer Ruhephase beginnend ab etwa Mitte Oktober. Die zweite Paarungszeit begann Ende November und dauerte bis Anfang Januar. Die meisten sozialen Interaktionen wurden im September und November beobachtet, Kopulationen im September, November und Anfang Januar. Die ermittelten Nachtwanderstrecken waren am längsten im September (Mittelwert: 1028 m) und Ende November (Mittelwert: 869 m) und am kürzesten im März (Mittelwert: 538 m). Die größten Aktionsräume hatten die Männchen im September (Mittelwert: 2.97 ha) und November (Mittelwert: 2.54 ha), die kleinsten im März (Mittelwert: 0.7 ha). Die relativ meisten und größten Aktionsraumüberlappungen wurden im September und November festgestellt. Größere Aktionsräume beinhalteten in der Regel mehr Weibchenfangorte. In der ersten Paarungszeit korrelierten die Aktionsraumgrößen der Männchen mit deren Körpergewichten. Aber die Größe des Aktionsraumes scheint auch von der räumlichen Erfahrung eines Männchens abzuhängen. Zu beiden Paarungszeiten hatten vier von fünf residenten Männchen größere Aktionsräume als vier von fünf (erste Paarungszeit) bzw. drei von drei (zweite Paarungszeit) Männchen, die während der Studie erstmals im Untersuchungsgebiet gefangen worden waren (junge oder nicht-residente Männchen). Die Ergebnisse dieser Studie geben erstmals Hinweise darauf, daß es bei männlichen M. murinus erfahrungsabhängige Fortpflanzungsstrategien geben könnte.
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