Aufklärung der Ursachen einer erhöhten Häufigkeit von Totgeburten in einem Milchviehbetrieb
Ziel dieser Arbeit war es, mögliche Ursachen für Totgeburten in einem sächsischen Milchviehbetrieb (ca. 1524 laktierende Kühe) zu erkennen und aus den gewonnenen Erkenntnissen ein Totgeburten minimierendes Konzept für andere Betriebe zu entwickeln. 463 Muttertiere wurden kontinuierlich, über 24 h, vom Zeitpunkt ihrer Einstallung in den Abkalbebereich, bis zum Ende des Geburtsvorganges beobachtet. Bei der Einstallung wurden die allgemeinen Daten, wie das Datum der Einstallung, die Ohrmarke, die Laktationsnummer, das Alter, sowie der Tag der letzten Besamung des Tieres in einem Protokoll festgehalten. Darüber hinaus wurden Body Condition Score (BCS), die Beckenneigung und die Kreuzbeinhöhe bestimmt sowie das Becken von außen vermessen. Weiterhin wurden post partum die inneren Beckenmaße mit dem Beckenzirkel nach Bouldoire, Menissier und Vissac bestimmt. Bei ersten Anzeichen von Unruhe, Vulvaausfluß oder Bauchpressentätigkeit wurde jede Handlung des Tieres und der Geburtshelfer dokumentiert. Die Zeiten vom Sichtbarwerden und Springen der Allantois- und der Amnionblase, wie auch die Dauer der Aufweitungs- und Austreibungsphase wurden ebenfalls festgehalten. Die Geburt wurde nach vorhandenen Geburtsschwierigkeiten in fünf Kategorien klassifiziert und Lage, Stellung und Haltung des Kalbes ermittelt. Im Anschluß an die Geburt wurde das Kalb hinsichtlich Lebensfrische, Reife und Missbildungen untersucht und die Scheitelbreite, sowie die Fesselgelenkshöhe und –breite gemessen. Auch das Geschlecht und das Gewicht wurden dokumentiert. Tot zur Welt gekommene Kälber und solche, die innerhalb von 24 Stunden gestorben sind, wurden als Totgeburten gewertet und zur pathologisch-anatomischen und - histologischen Untersuchung dem Institiut für Veterinär-Pathologie der Veterinärmedizinischen Fakultät Leipzig zugeführt. Virologische, bakteriologische und mykologische Untersuchungen wurden durch die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen (LUA) durchgeführt. Die Auswertung dieser Daten führte zu folgenden Ergebnissen: Insgesamt wurden 9,29 % aller Geburten als Totgeburten klassifiziert. Die Häufigkeit totgeborener Kälber war bei Färsen signifikant höher als bei Kühen (18,47 % vs. 4,48 %, P<0,0001). Die Färsen hatten auch einen signifikant höheren Body Condition Score (BCS) als die Kühe. Der BCS korrelierte wiederum negativ mit der inneren Beckenweite. Es war weiterhin eine Tendenz zu erkennen, dass es bei Tieren mit einem BCS ≥3,75 im Gegensatz zu Tieren mit einem BCS zwischen 3,25 und 3,75 vermehrt zu Totgeburten kam. Die Dauer der Aufweitungsphase beeinflusste den Ausgang der Geburt maßgeblich. Tiere mit totgeborenen Kälbern hatten eine statistisch signifikant längere Aufweitungsphase als Tiere mit lebend geborenen Kälbern (Median: 198min vs. 73min, P<0,0001). Die Aufweitungsphase war darüber hinaus bei den Färsen länger als bei den Kühen (Median: 136min vs. 59min, P<0,0001). Im Zusammenhang zur Aufweitungsphase stellten sich auch die inneren Beckenmaße und die Fettauflagerung im Becken als wichtige Faktoren des Geburtsgeschehens dar. So dauerte die Aufweitungsphase signifikant länger, je enger sich die Beckenweite darstellte. Ein höher werdender Grad der Verfettung des Geburtsweges zog eine länger dauernde Geburt nach sich. Die Neigung des Beckens hatte ebenfalls einen Einfluss auf die Totgeburtenhäufigkeit. Tiere mit einem abfallenden Becken hatten statistisch signifikant weniger Totgeburten zu verzeichnen als Tiere mit einem waagerechten Becken (7,14 % vs. 15,69 %, P=0,0082). Die Aufweitungsphasen bei Geburten von lebenden Kälbern dauerten nie länger als 2 Stunden. Daher ist es in der Regel empfehlenswert, nicht vor 2 Stunden nach dem Sprung der ersten Fruchtblase in den Geburtsvorgang einzugreifen Die Zeitempfehlung von 2 Stunden kann bei Geburtsvorgängen mit Kälbern in Hinterendlage gegebenenfalls noch unterschritten werden. Gerade bei Färsen kam es zu signifikant mehr Totgeburten in dieser Geburtslage als in der Vorderendlage (50,00 % vs. 15,67 %, P=0,002). Die Bauchpressentätigkeit des Muttertiers hat einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Geburt, da sie die Dauer der Aufweitungsphase mitbestimmt. Die Geburt dauerte umso länger, je schlechter das Muttertier gepresst hat. Bei Geburtsvorgängen, die innerhalb einer Schicht stattfanden, kam es zu statistisch signifikant weniger Totgeburten als bei solchen, die zeitlich über eine Schicht hinausgingen und somit der Geburtshelfer während des Geburtsvorganges wechselte (8,10 % vs. 16,18 %, P=0,034). Die Vermutung lag nahe, dass dieser Zustand durch eine unzureichende Informationsweitergabe über laufende Geburtsvorgänge entstanden ist. Der negative Effekt des Schichtwechsels wurde besonders deutlich, wenn die Geburtsüberwachung der Melkschicht übertragen wurde, also einer Gruppe, die eine andere Aufgabe im Betrieb hat. Bei den durch Spontangeburten zur Welt gekommenen Kälbern traten statistisch signifikant weniger Totgeburten auf als bei Tieren, die durch schweren Auszug oder Kaiserschnitt entwickelt wurden (2,27 % vs. 28,42 % bzw. 41,18 %, P<0,0001). Auch bei Tieren die durch leichten oder mittelschweren Auszug geboren wurden, kam es zu statistisch signifikant weniger Totgeburten als bei schweren Auszügen und Kaiserschnitten (4,84 % bzw. 7,41 % vs. 28,42 % bzw. 41,18 %, P<0,05). Darüber hinaus waren spontan geborene Kälber auch vitaler als diejenigen, welche durch jegliche Art der Geburtshilfe zur Welt gekommen sind (Median der APGAR-Benotung: 7,22 vs. 6,65, 6,04, 4,28, 4,35, P<0,05). Hier war erneut der Zusammenhang zur Aufweitungsphase zu erkennen, da die Lebensfrische der Kälber mit zunehmender Geburtsdauer kontinuierlich abnahm. Es ist eine Tendenz erkennbar, dass mehr männliche als weibliche Kälber tot geboren wurden (12,24 % vs. 7,14 %, P=0,058). Das Gewicht und die Skelettmaße der Kälber waren hingegen keine ausschlaggebenden Faktoren für die Totgeburtenproblematik. 9. Bei der pathologisch-anatomischen Untersuchung wurden bei 88,37 % der Kälber eine fetalen Atelektase, bei 79,07 % eine Fruchtwasseraspiration und bei 32,56 % Thymusblutungen festgestellt. Thymusblutungen könnten Folge einer zu großen Zugkraft und/oder eines Sauerstoffmangels sein. Weiterhin wurden bei den Totgeburten Missbildungen (9,30 %), Infektionen (4,65 % der Kälber, 22,72 % der Plazenten), Frakturen (20,93 %), Blutungen an verschiedenen Lokalisationen (60,47 %) sowie gescheckte Muskulatur (4,65 %) nachgewiesen. Bei 100 % der durch schweren Auszug entwickelten Kälber in Vorder- bzw. Hinterendlage traten Frakturen und Rippenluxationen auf, ebenso zeigten 100 % bzw. 90 % dieser Kälber Blutungen an verschiedenen Organen und 50 % bzw. 20 % Gehirnödeme. Der schwere Auszug erwies sich in dieser Arbeit als die nachteiligste Form der Geburtshilfe. Außerdem zeigte sich, dass eine Aufweitungsphase, die länger als zwei Stunden dauert, mit einem höheren Totgeburtenrisiko einhergeht. Die Aufweitungsphase wurde ihrerseits durch eine schwache Bauchpressentätigkeit oder eine stärkere Fettauflagerung im Beckenraum negativ beeinflusst. Weiterhin hatte eine diskontinuierliche Geburtsüberwachung mit Mängeln der Informationsübermittlung einen negativen Effekt auf die Häufigkeit von Totgeburten.
It was the aim of this study to identify possible causes of stillbirth on a large dairy in Saxony, Germany, and to derive a prophylactic concept for the reduction of the rate of stillbirth on similar dairy facilities. Four hundred and sixty-three primi- and multiparous cows were observed continuously starting from the time when the animals were moved into the “reproduction barn” until after completion of parturition. General data such as ear tag number, date of moving, number of lactation, age and date of last insemination were recorded. Furthermore, body condition score (BCS), slope of the pelvis, animal height measured from ground to the Os sacrum, as well as external pelvic-measures (length, width) were determined. After parturition, the internal pelvic area was measured using the pelvic circle according to Bouldoire, Menissier and Vissac. Upon first signs of the forthcoming labour such as uneasiness of the dam, vaginal discharge and/or abdominal contraction, every action of the dam and the barn staff were documented. The interval from rupture of the allantois/amnion sac until passage of the fetal forehead through the vulva (second stage of labour) and the duration of final expulsion of the fetus (third stage of labour) were recorded. The birth process was classified in five degrees of difficulty and the positions of the fetus were documented. After birth, the following data were collected from the calves: vitality, maturity, presence of malformations, sex, weight and various measurements of the fedlock joint and head. Calves born dead and those that died within the first 24 h after birth, were classified as “stillbirth” and sent to the Institute of Veterinary Pathology, Veterinary Faculty of the University of Leipzig for pathological-anatomical and –histological examination. Furthermore, a microbiological examination was performed by the Saxonian State Laboratory (LUA). The following results were obtained: Overall, 9.29 % of all birth were classified as stillbirth. The frequency of stillborn calves was higher in heifers than in cows (18.47 % vs. 4.48 %, P<0.0001). BCS was higher in heifers than in cows. BCS was negatively correlated with the internal pelvic area. Furthermore, there was a trend of a higher frequency of stillbirth in animals with a BCS >3.75 than in cows with a BCS of 3.25 to 3.75. Duration of the second stage of labour influenced the outcome of labour. Dams with stillborn calves had a statistically significantly longer second stage than dams with living offsprings (median: 198.00 min vs. 73.00 min, P< 0.0001). Also, second stage of labour was longer in heifers than in cows (median: 136.00 min vs. 59.00 min, P<0.0001). There were relationships between the duration of second stage of labour and internal pelvic area and degree of pelvic adipose tissue. Internal pelvic area decreased and internal pelvic adipose tissue increased with increasing duration of the second stage. The slope of the pelvis had an influence on frequency of stillbirth. Animals with a declining pelvis had statistically significantly less stillborn calves than animals with a horizontal pelvis (7.14 % vs. 15.69 %, P=0.0082). In living calves, usually the second stage of labour dit not last longer than 2 h. Therefore, it could be recommended not to intervene into the ongoing birth process before 2 h after the rupture of the allantois sac. However, this time frame could be reduced when calves were in posterior presentation. Especially in heifers,statistically significantly more calves were born dead in posterior than in anterior presentation (50,00 % vs. 15,67n %, P= 0.002). The degree of abdominal contractions of the dam also had an influence on the outcome of labour, because it determined the length of the second stage of labour. Time of labour increased as the degree of abdominal contractions decreased. Birth processes that occurred with a working shift were connected with a lower rate of stillbirth than those that started with one shift and ended with another (8.10 % vs. 16.18 %, P=0.034). This could be due to insufficient exchange of information between shifts. The negative effect of change of shift was especially noticeable when the responsibility was handed over to the milking shift, the staff of which usually has other chores than birth surveillance. Frequency of stillborn calves was lower in spontaneously delivered calves than in those delivered by severe extraction and caesarean section (2.27 % vs. 28.42 % and 41.18 %, respectively, P<0.0001). Also in calves that were delivered by light or medium severe extraction there were less stillbirths than in calves born after severe extractions or caesarean section (4.84 % and 7.41 % vs. 28.42 % and 41.18 %, respectively, P<0,05). Furthermore, vitality was higher in spontaneously born calves than in any type of other assisted calving (median of APGAR-score: 7.22 vs. 6.65, 6.04, 4.28, 4.35, P<0.05). There was also a connection between vitality and duration of second stage of labour. As the latter increased, vitality decreased. Frequency of stillbirth was higher in male than in female calves (12.24 % vs. 7.14 %, P=0.058). However, the weight or skeleton measures were of minor importance for the rate of stillbirth. As the most fequent findings, the pathological examination revealed fetal atelectase (88.37 %), aspiration of amniotic fluid (79.09 %) and bleeding of the thymus (32.56 %), the latter of which could be the result of mechanical lesions due to severe extractions and/or lack of oxygen supply. Further findings were malformations (9.30 %), infections (4.65 % of the calves, 22.72 % of the placenta), fractures (20.93 %), bleedings at various locations (60.47 %) and spotted muscles (4.65 %). After difficult extraction, 100 % of the calves either in anterior or posterior presentation revealed fractures and/or luxation of the ribs. Also, 100 % and 90 % of those calves, respectively, had bleedings in various organs, and 50 % and 20 % of the calves, respectively, revealed edema of the brain. In conclusion, the severe extraction turned out to be the least favourable of the 5 classes of obstetrical measures. Furthermore, duration of the second stage of labour beyond 2 h was connected with a higher risk of stillbirth. Duration of the second stage of labour was negatively influenced by weak abdominal contractions and a decreased diameter of the inner pelvic area. In addition, discontinuous control of the birth process with shortcomings of communication had a negative effect on the frequency of stillborn calves.
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