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Populationsdynamik nachtaktiver Kleinlemuren (Microcebus murinus und M. ravelobensis) in Nordwest-Madagaskar

Nah verwandte Arten mit ähnlicher Morphologie und Ökologie können interspezifisch konkurrieren, wenn ihre Habitate Überlappungen aufweisen. Dies kann langfristig zum Ausschluss einer Art führen. Die nah verwandten Lemurenarten Microcebus murinus und M. ravelobensis leben in einem Teil des Nationalparks Ankarafantsika im Nordwesten Madagaskars sympatrisch. In dieser Arbeit wurde erstmals über die Auswertung populationsökologischer Daten der zwei Lemurenarten M. murinus und M. ravelobensis die Populationsdynamik über einen Zeitraum von fast 10 Jahren beschrieben und durch den Vergleich von zwei Gebieten mit exklusiven bzw. sympatrischen Vorkommen auf mögliche Hinweise für Konkurrenz hin untersucht. Des Weiteren wurde erstmals hinterfragt, wie verlässlich aktuelle freilandökologische Methoden der Bestandschätzung für kleine Primaten sind und welche die geeignetste Methode für Mausmakis darstellt. Für die beiden Untersuchungsgebiete JBA und JBB waren Rohdaten in Form von Fang-/Wiederfangdaten bzw. teilweise in Form von Zensusbeobachtungen vorhanden. Für das Gebiet JBA standen Daten aus den Jahren 1995 bis 2002 und für JBB aus den Jahren 1996 bis 2002 zur Verfügung. Zusätzlich erfolgte die Datenaufnahme während eines viermonatigen Aufenthaltes während der Trockenzeit 2003 in beiden Untersuchungsgebieten. Für die Erhebung populationsökologischer Daten wurden monatliche Fangaktionen nach der Fang-/Wiederfangmethode sowie monatliche Zensusgänge in beiden Untersuchungsgebieten durchgeführt. Im Untersuchungszeitraum von 1995 bis 2003 wurden 537 Individuen in insgesamt 10346 aufgestellten Fallen gefangen (309 M. murinus, 228 M. ravelobensis). Es konnte zunächst durch das Aufstellen von derselben Anzahl an Fallen in einem kleineren Gebiet gezeigt werden, dass in JBA eine Fangzahllimitierung durch die Anzahl aufgestellter Fallen vorlag. Vergleicht man die Ergebnisse beider Untersuchungsgebiete, ausgehend von derselben Fallendichte, so konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Populationsdichten beider Gebiete festgestellt werden. Der Vergleich der Populationsdichteschätzungen anhand von Zensusbeobachtungen zeigte, dass es bei der Anwendung der Methoden nach MÜLLER et al. (2000) und CHAPMAN (1988) mehr methodische Schwierigkeiten gab als mit dem Programm Distance 4.1. Ursächlich hierfür scheinen die subjektiv geschätzten Entfernungswerte zu sein, die die Ergebnisse stark beeinflussen. Es wird daher für die Ermittlung der Populationsdichten mittels Zensusbeobachtungen die Anwendung des Programms Distance 4.1 empfohlen. Um eine erste und schnelle Näherung der Populationsdichte zu erhalten, kann jedoch die Anwendung der Methoden von MÜLLER et al. (2000) und CHAPMAN (1988) sinnvoll sein. Allerdings sollten diese aus Gründen der Fehlerabschätzung anschließend immer in Kombination mit Distance 4.1 eingesetzt werden. Populationsdichteschätzungen, die auf Fang-/Wiederfangdaten beruhen, ermöglichen einen direkten Vergleich von zwei Gebieten nur, wenn als Grundfläche die effektive Fangfläche z.B. mit dem Programm DENSITY ermittelt und verwendet wird. Um jedoch nur Populationsveränderungen in einem bestimmten Zeitraum festzustellen, ist eine Ermittlung der exakten Populationsdichte nicht notwendig. Hier reichen meist die Anzahl beobachteter Tiere pro km bzw. absolute Fangzahlen aus. Die Analyse von Parametern, die auf eine mögliche Konkurrenz hinweisen könnten, ergab unterschiedliche Befunde: Zwischen den einzelnen Jahren konnten signifikante Unterschiede der absoluten Fangzahlen von Microcebus spp. festgestellt werden, die jedoch eher einen Zusammenhang mit dem Klima als mit interspezifischer Konkurrenz vermuten ließen. Veränderungen des relativen Jungtieranteils zeigten eine parallele Entwicklung beider Arten, wiesen jedoch signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Jahren auf, die ebenfalls auf äußere Faktoren wie Klima und Nahrungsverfügbarkeit zurückgeführt werden können. In den ersten Jahren (1995-2000) wurden mehr Individuen der Art M. murinus gefangen, dieses Verhältnis verschob sich jedoch in den darauf folgenden Jahren immer mehr zugunsten von M. ravelobensis. Im Jahr 2003 wurde ein fast ausgewogenes Art-Verhältnis erreicht. Über den gesamten Untersuchungszeitraum betrachtet fiel die monatliche Populationsgröße von M. murinus leicht ab, wohingegen die monatliche Populationsgröße von M. ravelobensis deutlich anstieg. In den ersten Jahren wurden signifikant mehr Fallenorte exklusiv von M. murinus  genutzt, wohingegen in den folgenden Jahren ein Trend in die andere Richtung erkennbar war. Im Jahr 2003 wurden schließlich signifikant mehr Fallenorte exklusiv von M. ravelobensis genutzt. Die räumliche Verbreitung von M. ravelobensis hat von 1998 bis 2003 stark zugenommen, so dass diese Art gegen Ende der Studie im gesamten Untersuchungsgebiet vorkam. Das exklusive Vorkommen von M. murinus dagegen ging leicht zurück und beschränkte sich 2003 nur noch auf kleine Randgebiete. Beide Arten wiesen eine heterogene Verteilung im Untersuchungsgebiet auf. In einzelnen Teilgebieten zeigten M. murinus und M. ravelobensis eine starke räumliche Überlappung, in denen die beiden Arten zufällig verteilt waren und sich nicht gegenseitig beeinflussten. Andere Teile des Untersuchungsgebietes wurden dagegen ausschließlich von einer Art genutzt, was auf konkurrierende Interaktionen zwischen den Arten hinweist. Die hier aufgezeigten dynamischen Veränderungen der Populationszusammensetzung sowie der räumlichen Verteilung von M. murinus und M. ravelobensis in JBA liefern Hinweise auf eine mögliche interspezifische Konkurrenz zwischen diesen beiden Arten. Unklar bleibt, welche Faktoren für diese Veränderungen ursächlich verantwortlich sind und wie sich die Populationen in den nächsten Jahren entwickeln werden. Um diese Frage vollständig klären zu können, sind weiterführende Studien notwendig.

Closely related species with similar morphology and ecology may suffer from interspecific competition when sharing their habitat. This may lead to the long-term exclusion of one species. The closely related mouse lemur species Microcebus murinus and M. ravelobensis are known to live in sympatry in parts of the National Park Ankarafantsika in northwestern Madagascar. This study is the first to investigate the long-term population ecology of M. murinus and M. ravelobensis over a period of almost 10 years. By comparing two geographic areas with exclusive versus sympatric occurrence, the population dynamics were investigated for indications of competition between these two species. Furthermore, the reliability of current ecological methods for the estimation of population densities of small primates was tested in order to identify the most appropriate method for mouse lemurs. For the two study areas JBA and JBB, raw data in form of mark-recapture results and to a lesser extent line-transect surveys were available. JBA data spanned the period from 1995 to 2002, while JBB data were available for the period from 1996 to 2002. Additionally, new and systematic data were collected in both study areas within a four month period during the dry season of 2003. In order to investigate the population ecology; monthly mark-recapture studies and monthly line-transect surveys were conducted in both study areas. Between 1995 and 2003, 537 individual mouse lemurs were trapped in a total of 10346 installed traps (309 M. murinus and 228 M. ravelobensis). First, in setting up the same number of traps in a reduced area, a limitation of the number of trapped individuals due to the spacing and number of traps could be revealed in JBA. With equal spacing of traps there was no significant difference in population density between JBA and JBB. The comparison of the population density estimated on the basis of line-transect surveys revealed more methodical difficulties when using the methods of MÜLLER et al. (2000) and CHAPMAN (1988) than when using the programme Distance 4.1. These difficulties were probably caused by the subjectively estimated “observer-to-animal” distances that strongly influence the results. Therefore, for determining population densities by line-transect surveys, the use of the programme Distance 4.1 is recommended. To obtain a quick and approximate value of a given population density, however, the use of the methods after MÜLLER et al. (2000) and CHAPMAN (1988) may be sufficient. Nevertheless, these methods should always be used in combination with Distance 4.1 in order to control for errors. Estimates of population densities, based on mark-recapture data, will only allow a direct comparison of two areas if the effective trapping area is calculated. This could be achieved, for example, by using the computer programme DENSITY. However, if it is only necessary to determine population changes over time, it is not necessary to have an absolute population estimate. In this case, the number of observed animals per km or rather the total number of trapped animals may be sufficient and can be easily compared. The analysis of parameters that could potentially indicate interspecific competition, resulted in ambivalent findings: On the one hand, significant differences in the absolute number of trapped animals of Microcebus spp. could be observed among years. However, it is more likely that these numbers are correlated with the climate rather than with interspecific competition. Changes in the relative representation of infants showed a parallel development of both species. The results also revealed significant differences among study years. Similarly, these can be traced back to other factors such as climate and food availability. On the other hand the murinus-biased species ratio during the first five years (1995-2000) shifted more and more in favour of M. ravelobensis. In 2003, an almost balanced species ratio was obtained. Regarding the whole study period, the monthly population size of M. murinus declined slightly whereas the monthly population size of M. ravelobensis increased notably over time. During the first years of the study, M. murinus was the predominant species in JBA and accounted for most exclusive trappings. In 2003, as the study was coming to a close, a significant change was detected such that M. ravelobensis became the predominant species and accounted for most exclusive trappings. Between 1998 and 2003, M. ravelobensis expanded its spatial distribution range over the whole area, whereas the exclusive distribution of M. murinus decreased slightly. By the end of the study period in 2003, the exclusive distribution of M. murinus was solely restricted to small parts on the edge of the study area. Members of both species were not homogeneously captured in the study area. In some parts of the study area, M. murinus and M. ravelobensis showed a high degree of spatial overlap, indicating rather random and independent species distribution. However, other parts of the study area were exclusively inhabited by one species indicating competitive species interactions. The analysis revealed dynamic changes in the composition of the population as well as in the spatial distribution of M. murinus and M. ravelobensis in JBA, indicating interspecific competition between these two species. The factors responsible for the changes and the development of the population in the future still remain open. Further studies are needed to answer these questions completely.

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