Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo)TiHo eLib

Entwicklung der Ernährungsforschung bei Wiederkäuern 1900-1950

In der vorliegenden Arbeit sollte die Entwicklung der Ernährungsforschung bei Wiederkäuern (Rinder, Schafe, Ziegen, Wasserbüffel) in der ersten Hälfte des 20. Jh. aufgezeichnet werden. Dazu wurden die weltweit erschienenen Publikationen gesammelt, systematisiert und ausgewertet. Die relevanten Arbeiten konnten anhand von Referateblättern, Zeitschriftenbänden sowie - zur Kontrolle – mit zeitgleich oder alsbald nach 1950 erschienenen Büchern, Monographien und Übersichten mit umfangreichen Schrifttumsverzeichnissen weitgehend erfasst werden. Das umfangreiche Material (insgesamt rund 4200 Publikationen) erlaubte eine Gliederung in Fütterungsversuche, verdauungsphysiologische Untersuchungen inkl. Verdauungsversuche, Energieumsatz, Stoffwechsel der Nährstoffe (Eiweiß, Mengen- und Spurenelemente, Vitamine) sowie ernährungsbedingte Krankheiten (v.a. Mangelkrankheiten, alimentär-bedingte Vergiftungen). In den Fütterungsversuchen (Tab. I, Anhang) standen Akzeptanz, Verträglichkeit diverser Futtermittel und deren Einfluss auf die Leistungen im Vordergrund. Anhand der hier und in den Verdauungsversuchen verwendeten Futtermittel konnte die allmähliche Erweiterung des Futtermittelspektrums in der Wiederkäuerfütterung – beginnend mit dem 19. Jh. (auf Grund der Angaben von KLEMME 2003, Tab. I und II, Anhang) – aufgezeigt werden (Tab. 13.3). Dabei wurde eine Abnahme der Anzahl von Versuchen mit Kartoffeln und Rüben und eine Steigerung der Versuche mit Futtermitteln tierischer Herkunft sowie „neuen“ und Not-Futtermitteln beobachtet. Besondere Schwerpunkte ergaben sich in den Fütterungsversuchen bei der Verwendung von NPN-Verbindungen (Tab. 4.26-4.29), der Kälber- und Jungtierfütterung (Tab. 11.13-11.17) sowie bei Arbeiten über den Einfluss der Fütterung auf die Lebensmittelqualität. Die meisten dieser Untersuchungen galten quantitativen und qualitativen Eigenschaften der Milch (Fett-Kaseinmenge, Butterfettkonsistenz, Geruch, Geschmack; Kapitel 4), während die Schlachtkörperqualität (Fleisch-/Fettverhältnis, Fettkonsistenz) nur in wenigen Arbeiten untersucht wurde (Tab. 11.12). Verdauungsphysiologische Arbeiten, deren Auswertung sich auf Grund einer früheren Arbeit (LOHSE 2000) nur auf die Zeit von 1930 bis 1950 beschränkte, setzten traditionelle Arbeiten u.a. über Motorik, Sekretion und Futterpassage, z.T. mit neuen Techniken (Röntgen, Pansenfisteln, Markern) fort. In den 40er Jahren entstand dank neuer Methoden der Bakterienkultivierung das Arbeitsgebiet der Pansenphysiologie. Jetzt erscheinen Arbeiten (z.T. mit in-vitro-Versuchen) über den Abbau von Kohlenhydraten und Eiweißen in den Vormägen, die dadurch entstehenden Metaboliten (flüchtige Fettsäuren, Ammoniak), aber auch über die Syntheseleistungen (Proteine, Vitamine) der Vormagenflora und -fauna. Bei der  quantitativen Erfassung  der Verdauungsvorgänge (Verdaulichkeitsuntersuchungen, Tab. V, Anhang) verdrängten Schafe zunehmend Rinder als Versuchstiere. Bis 1950 wurden verschiedene Futtermittel geprüft (häufig mehrfach), in Kriegs- und Notzeiten ebenfalls extreme Substrate (Weintreber, Misteln, Rosskastanien, Seetang, u.a.). Die Mehrzahl der Untersuchungen stammten aus Deutschland, den USA und dem Vereinigten Königreich. Die Grunddaten für den Energieumsatz sowie den Stoffwechsel der Nährstoffe (Körper-, Gewebe- sowie insbesondere Blutanalysen auf organische und anorganische Bestandteile, Tab. 6.1-6.4, 8.1-8.3, 9.2-9.5, 10.2-10.4, sowie Tab. VI, VIII, IX, Anhang) wurden nachhaltig erweitert. In den Arbeiten zum Energieumsatz und zur energetischen Bewertung der Futtermittel wurden im Sinne der am Anfang des 20. Jahrhunderts von O. KELLNER aufgestellten Stärkewertlehre weitere Details geklärt (Abschnitt 6.2, 6.5) und auch technische Neuerungen geschaffen. Bei den Untersuchungen zum Eiweißstoffwechsel lag der Schwerpunkt bei den mit dem Pansenstoffwechsel zusammenhängenden Fragen sowie der Verwertung von NPN-Verbindungen, deren Nutzen, aber auch Risiken, bis 1950 sicher erkannt wurden. Arbeiten über den Stoffwechsel der Mengen- und Spurenelemente (die bis 1930 ebenfalls bereits von LOHSE (2000) ausgewertet wurden) befassten sich beim Kalzium und Phosphor mit Details (Resorption, Mobilisation, Exkretion) zur Ermittlung des Bedarfs und zur Klärung und Prävention von Mangelsituationen (Skeletterkrankungen, Harnsteinbildung). Magnesium gewann größeres Interesse durch die Entdeckung der Hypomagnesämien (Tab. 12.4-12.5), während Arbeiten über die Elektrolyte eher in den Hintergrund traten. Unter den Spurenelementen, deren Essentialität meistens erst ab den 20er Jahren durch Versuche an kleinen Versuchstieren (Tab. 9.1) bekannt wurde, konnten vor allem die durch Mangel von Kupfer und Kobalt oft schon länger bekannten Störungen näher beschrieben und Versuche zur Klärung ihres Stoffwechsels eingeleitet werden. Beim Kupfer waren auch die durch Überversorgung entstehenden Schäden (Tab. 12.13) Gegenstand zahlreicher Versuche. Ebenfalls stammen aus diesem Zeitraum 22 Berichte über Jodmangelzustände bei Wiederkäuern (Tab. 12.6), obwohl diese Erkrankung bereits seit dem 19. Jh. bekannt war (LOHSE 2000, S. 136). Der Wasserstoffwechsel wurde im Rahmen von Bilanzversuchen miterfasst (Tab. 8.8), gewann aber allgemein sowie insbesondere durch die Rinderhaltung in subtropischen und tropischen Gebieten größere Beachtung. Untersuchungen über den Fe- und Mn-Stoffwechsel blieben marginal. Vom Selen waren die Folgen einer Überversorgung bekannt (Tab. 12.13); über die Folgen einer Unterversorgung existieren bis 1950 noch keine aussagefähigen Arbeiten. Bei den Vitaminen, deren essentielle Bedeutung in der Ernährung erst in den 1920er und 30er Jahren bei Versuchstieren erkannt wurde (Tab. 10.1), standen die Folgen eines Vitamin A-Mangels (Tab. 12.10) sowie dadurch initiierte Arbeiten über den Stoffwechsel des Vitamin A (Umwandlung des Karotins in Vitamin A, die Lokalisation dieses Prozesses, Resorption und Speicherung) im Vordergrund (Kapitel 10). Vitamin D wurde im Zusammenhang mit dem Ca- und P-Stoffwechsel untersucht, während die Bedeutung des Vitamin E erst Ende der 40er Jahre in den Blickpunkt der Ernährungswissenschaften rückte. Bei den wasserlöslichen Vitaminen, die bei Monogastriern in den 30er Jahren verstärkt Beachtung fanden, wurde alsbald klar, dass für Wiederkäuer auf Grund der Eigensynthese (von Riboflavin, Vit. B1, Vit. B6, Panthothensäure, Nikotinsäure, Vit. K, Biotin, Vit. C; Tab. 5.7), kein exogener Bedarf bestand. Die Beziehungen zwischen Co-Zufuhr und Vitamin B12 -Versorgung wurden erst nach 1950 entdeckt. Bis zum Jahr 1950 konnten für Energie und die meisten Nährstoffe (Tab. 6.7-6.8, 7.4-7.5, 8.6-8.7, 10.6) weitgehend zuverlässige Bedarfszahlen vorgelegt werden. Als ernährungsbedingte Krankheiten wurden einige Störungen im Verdauungskanal (Pansenazidose, Tympanie, Labmagengeschwüre; Abschnitte 12.3.1-12.3.3) und Harntrakt (Harnsteine; Abschnitt 12.3.4) erkannt, sowie Mangelkrankheiten und Futtermittel mit schädlichen Inhaltsstoffen (Abschnitt 12.1, 12.4). Unter den Ursachen der alimentär bedingten Intoxikationen rangierten v.a. verschiedene Giftpflanzen, anorganische Elemente (Kochsalz, Arsen, Kupfer, Blei, u.a.) sowie toxinhaltige Futtermittel. In der Erforschung der Wiederkäuerernährung (Tab. 13.5) blieb Deutschland bis zum Beginn des 2.Weltkrieges, ähnlich wie schon im 19. Jh., dominierend. Von den übrigen europäischen Ländern wurde auch in Skandinavien, den Niederlanden und ab 1930 auch im Vereinigten Königreich verstärkt geforscht. Arbeiten aus Frankreich sowie Österreich/Ungarn, mit bedeutenden Beiträgen im 19. Jh., blieben eher im Hintergrund, während in den übrigen europäischen Ländern kaum geforscht wurde (Tab. 13.2). Wie schon in den letzten Dezennien des 19. Jh. nahm die Forschungsaktivität in den USA nach 1900, in Kanada nach 1930 erheblich zu, während die mittel- und südamerikanischen Staaten weitgehend stumm blieben. In Afrika und Asien entwickelten sich nur geringe Forschungsaktivitäten, die teilweise offenbar durch Wissenschaftler der Kolonialmächte (Südafrika, Rhodesien, Tanzania, Indien, Philippinen) ausgeführt wurden. In den von Europäern besiedelten Ländern Ozeaniens (Australien, Neuseeland) regte sich die Forschung erst in den 30er Jahren, als verstärkt bodenständige Mangelkrankheiten auftraten und die Viehhaltung intensiviert wurde. Bis zum Jahre 1950 konnte trotz Retardierung durch zwei Weltkriege und nachfolgende Notzeiten die Erforschung der Wiederkäuerernährung nachhaltig vorangetrieben werden, so dass in der Mitte des 20 Jh. wesentliche Grundlagen bekannt waren, deren Vertiefung und Verbreiterung vor allem durch die ab 1950 erheblich steigenden Leistungen (Tab. 3.3) notwendig wurden.

This work aims at mapping the evolution of nutritional sciences for ruminants (cattle, sheep, and goats) in the course of the first half of the 20th century. For this, the respective publications released worldwide were collected, categorized, and analysed. Most of the relevant literature could be identified surveying research papers and pertinent journals and was referenced and checked against books, monographs, and surveys containing comprehensive literature indices which were released during or shortly after the time period in question.  The extensive amount of sources (a total of around 4200 publications) led to the following structure: feeding experiments, experiments to evaluate aspects of physiology of digestion including digestion experiments, energy conversion, metabolism of nutrients (protein, minerals and trace elements, vitamins) and diseases caused by malnutrition (especially deficiency diseases, food poisonings).  The main focus of the feeding experiments (table I in the appendage) were acceptance, digestibility of various feeds, and their influence on productivity. Evaluating these feeding experiments and the research on digestion, a gradual increase in the variety of feeds for ruminants - starting in the early nineteenth century (as stated by Klemme 2003, cf. table I and II in the appendage) - could be demonstrated (table 12.3). There was a decline in the number of experiments using potatoes and other root vegetables and a corresponding increase in the number of experiments using feeds of animal origin as well as new and auxiliary feeds. Feeding experiments using NPN compounds (table 4.26 – 4.29) and feeding experiments on calves and young bovines (table 11.13-11.17) as well as the influence of animal feed on the quality of food production turned out to be the prevalent focus of research. Most of these experiments dealt with quantity and quality of milk output (fat and casein content, texture of butter fat content, smell, flavor) (Chapter 4), whereas only few experiments focused on the meat quality of the slaughtered animals (meat / fat ratio, fat texture) (table 11.12). The analysis of research on digestion physiology was limited here to the period of 1930 to 1950 due to an already existing analysis (LOHSE 2000). Traditional studies in digestion physiology, e.g. on motor function, secretion, and food passage, were followed up with studies employing in part new techniques such as X-ray, rumen syrinx and markers. In the 1940s new techniques of bacteriological cultures facilitated research in rumen physiology, leading to research (sometimes involving in-vitro experiments) on the ruminal decomposition of carbohydrates and proteins and the resulting metabolites (volatile fatty acids, ammonia), as well as the synthesis of proteins and vitamins by the rumen biota.  In quantitative analysis of digestive processes (digestibility experiments, table V, appendage), sheep increasingly replaced bovines as laboratory animals. Until 1950 different types of feed were evaluated (often several times). In times of war and scarce resources, extreme surrogates (grape residue, mistletoe, horse chestnuts, seaweed etc) were tried. The majority of research originated in Germany, the US, and the United Kingdom. The basic knowledge of energy conversion as well as of metabolism of nutrients (body-, tissue-, especially blood analyses for organic and inorganic elements, tables 6.1-6.4, 8.1-8.3, 9.2-9.5, 10.2-10.4, and table VI, VIII, IX, appendage) was effectively expanded. Research pertaining to energy conversion and energy-related evaluation of feeds provided further details (Chapter 6.2, 6.5) and led to new technologies, thus enhancing the starch value theory developed by O. KELLNER in the early 1900´s. The focal point of research on protein metabolism were questions surrounding ruminal metabolism (rumino-hepatic circulation) and of the utilization of NPN-compounds, whose benefits, but also risks were positively recognized by 1950. Research on metabolism of Minerals and Trace Elements (those published until the 1930´s had been analysed by LOHSE (2000) already) focused on details (resorption, mobilization, and excretion) concerning calcium and phosphorus with the aim of determining daily allowances and diagnosing and preventing malnutrition (bone diseases, urinary stones). The discovery of hypomagnesemia (table 12.4-12.5) generated increased interest in magnesium, while interest in electrolyte-related research faded. The essential character of trace elements was not discovered until the 1920´s through experiments involving small laboratory animals (table 9.1). Especially already known deficiency syndroms caused by lack of copper and cobalt could now be documented and tests to evaluate their metabolism could be initiated. Damage caused by too high levels of copper (table 12.13) was also subject of many experiments. In addition 22 reports of iodine deficiency in ruminants (table 12.6) date from this time period, although this disease had already been known since the 1800´s (LOHSE 2000, p. 136). The water balance was a side focus in metabolism experiments (table 8.8), but gained increased interest generally and because of cattle farming in sub-tropical and tropical regions. Research on iron and manganese metabolism remained marginal. Selenium in high concentrations was known to be a cause of disease (table 12.13); consequences of low concentrations of Selenium were not subject of any relevant research in the time period. The vital importance of vitamins in the nutrition was not discovered in test animals until the 1920`s and 1930`s (table 10.1). Research on vitamins focused on the consequences of vitamin A deficiency (table 12.10) and subsequent work on Vitamin A metabolism (conversion of carotin into vitamin A, localization of this process, resorption, and storage) (chapter 10). Research on vitamin D was done in connection with experiments on calcium and phosphorus metabolism, while the significance of vitamin E did not become a focus of nutritional sciences until the late 1940`s. As for water soluble vitamins, which in research on monogastric animals generated increasing interest in the 1930`s, it soon became clear that ruminants do not need them in their diet, because they are capable of producing riboflavin, vitamin B1, vitamin B6, panthothenic acid, nicotinic acid, vitamin K, biotin, and vitamin C themselves (table 5.7). The connection between cobalt intake and Vitamin B12 supply was only discovered after 1950. By the year 1950, reasonably reliable figures for nutritional requirements concerning energy and most nutrients existed (tables 6.7-6.8, 7.4-7.5, 8.6-8.7, 10.6). Some diseases of the digestive tract, such as ruminal acidosis, tympany, bladder stones, foamy fermentation, abomasal ulcers (chapters 12.3.1-12.3.4), as well as deficiencies and various poisonings (chapters 12.1, 12.4), were recognized as caused by malnutrition. Among the causes of nutritional poisonings are, above all, numerous poisonous plants, minerals (common salt, arsenic, copper, lead, etc.) as well as toxin-laden feed. Until the beginning of WW II Germany was leading in research on nutritional sciences for ruminants (Tabl. 13.5), just as it had in the 19th century. Of the other European countries, Scandinavia, the Netherlands, and, starting around 1930, also the United Kingdom did some research. Few results originated in France and Austria-Hungary, countries that had provided significant contributions in the 19th century, whereas hardly any research was done in the remaining European countries (table 13.2). As during the last decades of the 19th century, research activity increased considerably in the US after 1900 and in Canada after 1930, while the countries of Middle and South America remained rather inactive. Africa and Asia saw only little research activity, which - at least partially - may have been generated by scientists of the colonial powers (South Africa, Rhodesia, Tanganjika, India and the Philippines). In the Oceanic countries colonized by Europeans (Australia, New Zealand) research only began in the 1930´s when livestock farming was intensified and indigenous deficiency syndromes took hold. Research on bovine nutrition advanced despite setbacks during two world wars and subsequent times of need until the year 1950. Therefore in the middle of the 20th century the essential basic knowledge existed which then needed to be broadened and deepened to accommodate the considerably increasing production demands (table 3.3). 

Cite

Citation style:
Could not load citation form.

Access Statistic

Total:
Downloads:
Abtractviews:
Last 12 Month:
Downloads:
Abtractviews:

Rights

Use and reproduction:
All rights reserved