Die Tierzucht in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus
Die vorliegende Arbeit zeichnet die Diskurse der tiermedizinischen Tierzucht in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus nach. Als Quellenmaterial dienten Artikel und Rezensionen in den wichtigsten und in der Regel auch mit den veterinärmedizinischen Bildungsstätten verbundenen Fachperiodika. Damit kann ein Schwerpunkt auf die Debatten gelegt werden, die der nicht tierzüchterisch interessierten tiermedizinischen Öffentlichkeit ebenfalls zugänglich waren. Ein dominierendes Thema im untersuchten Zeitraum war die Auseinandersetzungen zwischen Tiermedizinern und akademischen Landwirten um die personelle Beteiligung an der Tierzucht. Zentrale Streitpunkte waren dabei, inwieweit Tierärzte bei Körungen Stimmrecht und welche Zulassungsvoraussetzungen Tierärzte zur Anstellung als Tierzuchtinspektoren haben sollten. Die Neuregelungen der Körordnungen mit dem Erlass des Gesetzes zur Förderung der Tierzucht 1936 und der reichseinheitliche Erlass der Prüfungsordnung zum Tierzuchtinspektorenexamen 1937 unter den Nationalsozialisten beendete den Streit zum Vorteil der Landwirte. Die Beteiligung der Tiermediziner an Körungen wurde auf die Rolle als Spezialisten für tierzüchterische Hygiene und (Erb)-Gesundheit begrenzt. Der Zugang zur Laufbahn des Tierzuchtinspektors wurde dagegen praktisch versperrt. Eine intensive Debatte um eine auf Lebensmittelautarkie ausgerichtete Politik und deren Auswirkungen auf die Tierzucht wurde vor allem zu Beginn der Weimarer Republik, Anfang der 1920er Jahre, geführt. Sie stand im Zusammenhang mit der Verknappung des Nutztierbestandes und den daraus resultierenden Nahrungsmittelengpässen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Unter den Nationalsozialisten wurde das Thema der Autarkie unter dem propagandistischen Ausdruck „Erzeugungsschlacht“ seit 1934 auch auf dem Gebiet der Tierzucht wieder aufgegriffen. Die sich an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Genetik orientierenden verbindlichen Leistungsstandards wurden in den Verordnungen zum 1936 erlassenen Gesetz zur Förderung der Tierzucht und der damit verbundenen Körgesetzgebung reichseinheitlich festgeschrieben. In Folge der kriegsbedingten Verknappung der Nutztiere wurden die strikten Verordnungen 1943 wieder gelockert. Die Künstliche Besamung als wichtigstes Instrument der modernen Tierzucht wurde in Deutschland bis Mitte der 1920er Jahre zunächst unter rein wissenschaftlichen Aspekten behandelt. Im Gegensatz zu anderen Ländern stand weniger die Verbesserung der Fruchtbarkeit als vielmehr die Möglichkeit der Verhütung der Deckseuchen im Vordergrund. Die Eröffnung der ersten deutschen Besamungsstation im September 1942 in Pinneberg führte zu einer Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern der Künstlichen Besamung. Die Frage, wie diese Einrichtung und der damit verbundene Bedarf an Ressourcen auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs ermöglicht werden konnten, bedarf weiterer Erforschung und bleibt in dieser Arbeit unberücksichtigt. Im untersuchten Zeitraum hat die tiermedizinische Wissenschaft auf dem Gebiet der Tierzucht insbesondere in der Zwillingsforschung und der Erforschung von Erbfehlern Erkenntnisse aus der humanmedizinischen Genetik aufgegriffen. Ab Mitte der 1920er Jahre fand das Themenfeld der Konstitutionsforschung über die Anthropologie Eingang in die Tierzucht.
The paper on hand outlines the discussions in veterinary stockbreeding during the Weimar Republic and National Socialism. Sources are articles and reviews in the most important veterinary journals which were usually affiliated with the schools of veterinary education. In this way, the emphasis is placed on debates which were also open to those parts of the veterinary establishment that were not professionally interested in stockbreeding . A dominating subject in the examined time period were the arguments between veterinarians and academically schooled farmers concerning who was to be involved in stockbreeding. Central points of contention were in how far veterinarians should have voting rights regarding “Körung” (selection of potential sires), and which qualifications veterinarians ought to have to be eligible as Tierzuchtinspektor (breeding inspectors). Under the National Socialists, the new “Körordnung” (regulations regarding sire selection) which were implemented in the Law for the Promotion of Stockbreeding of 1936 and the Decree of the Examination Procedure for the Stockbreeding Inspectors` Examination of 1937, which standardised the examinations for the entire Reich, ended this debate in favour of the farmers. The involvement of veterinarians in sire selection was restricted to breeding hygiene and (genetic) health. Access to the career of breeding inspector was practically denied. Especially in the early years of the Weimar Republic, there were intense discussions regarding policies oriented towards self-sufficiency in food supply and the repercussions of these policies concerning stockbreeding. This was in connection to the decrease of livestock and the resulting scarcity of food after the lost First World War. Under the National Socialists, in 1934 the subject of self-sufficiency was revived under the propagandistic heading of “Erzeugungsschlacht” (battle of production). This included the field of animal production. The obligatory performance standards, which were orientated on the newest scientific insights in the field of genetics, were put into national law with the Law for the Promotion of Stockbreeding of 1936 and the accompanying decrees and body of law. These strict prescriptions were loosened in 1943 due to the wartime decrease in livestock. As the most important tool in modern stockbreeding, up to the mid 1920‘s, artificial insemination was discussed in Germany under strictly scientific aspects. As opposed to other countries, rather than the improvement of fertility, the prevention of venereal diseases was the main focus. The opening of the first german artificial insemination station in September 1942 in Pinneberg led to an argument between the supporters and opponents of artificial insemination. How it was possible to divert resources to this institution at the height of the Second World War needs to be further examined and has not been taken into consideration in this paper. In the time period under discussion, veterinary science started to incorporate scientific information from the field of human genetics, especially research regarding twins and hereditary defects. From the mid 1920‘s onwards, the field of constitutional research entered into stockbreeding via anthropology.
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