Untersuchungen zur Bedeutung der Neurogenese für die Entstehung von Epilepsien und Epilepsie-assoziierten Störungen
Epilepsien zählen zu den häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen bei Menschen und Tieren. Die pharmakologische Therapie von Epilepsien beschränkt sich auf die lebenslange Verabreichung von Arzneimitteln, die mit schweren Nebenwirkungen verbunden ist und das Leben der Menschen belasten und verkürzen. Darüber hinaus sind bei einem Großteil der Patienten Antiepileptika nicht wirksam. Aus diesen Gründen wäre eine Prophylaxe, welche die Entstehung einer Epilepsie verhindert, aus medizinischer und sozialer Sicht wünschenswert. Der Mehrzahl der Epilepsien liegen symptomatische Ursachen, wie ein Schädelhirntrauma zu Grunde. Die Ursachen und die Mechanismen der Entstehung von Epilepsien sind bislang weitgehend unbekannt, so dass es keine kausalen Ansätze zur Entwicklung einer antiepileptogenen Therapie gibt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde daher die Bedeutung der neuronalen Plastizität und insbesondere der Neurogenese für die Entstehung eines epileptischen Netzwerkes tierexperimentell untersucht. Darüber hinaus sollte deren Bedeutung für die Ausprägung Epilepsie-assoziierter Störungen, wie kognitive Defizite und psychiatrische Störungen, charakterisiert werden. Für die Untersuchungen sind chronische Epilepsiemodelle verwendet worden. Bisherige Forschungsarbeiten bestätigen die Bedeutung des PSA-NCAM-Systems für die neuronale Plastizität und insbesondere die Neurogenese. Aus diesem Grunde wurden in dieser Arbeit die Auswirkungen einer genetischen Defizienz im PSA-NCAM-System, bzw. die transiente Depolysialylierung von NCAM auf die Epileptogenese-assoziierte Plastizität sowie das Schicksal, die Migration und die Netzwerkintegration anfallsinduzierter, neugebildeter Neurone untersucht. Manipulationen des PSA-NCAM-Systems sollten zudem die Datenlage über die funktionelle Relevanz für kognitive Leistungen und das emotionale Verhalten ergänzen. Mittels der selektiven hippocampalen Röntgenbestrahlung in Ratten konnte gezeigt werden, dass eine Inhibition der Neurogenese die Schwere epileptischer Anfälle und die Kindling-Progression im Amygdala-Kindling-Modell verlangsamt. Dieses Ergebnis deutet auf eine zumindest partielle proepileptogene Eigenschaft anfallsinduziert neugebildeter Neurone hin. Weiterführende Untersuchungen zielen darauf ab, die neuronale Basis dieser Effekte aufzuklären. Eine Depolysialylierung von NCAM hatte im Amygdala-Kindling-Modell akute Effekte auf die Krampfempfindlichkeit, jedoch nicht auf die Kindling-Progression. Darüber hinaus ging das Fehlen von PSA mit Störungen des Affektverhaltens nicht jedoch mit Störungen der Kognition in diesem Modell einher. Die transiente Depolysialylierung reduzierte die Migration, Differenzierung und Überlebensrate anfallsinduziert neugebildeter Neurone. Diese Ergebnisse bestätigen die Hypothese, dass das PSA-NCAM-System für die anfallsinduzierte neuronale Plastizität von Bedeutung ist und langanhaltende Netzwerkveränderungen bedingen kann, die zumindest im emotionalen Verhalten zu funktionellen Veränderungen führen. Die transiente Depolysialylierung hatte zudem akute anfallsmodulierende Wirkungen auf den Verlauf eines sich selbsterhaltenden SE, jedoch nicht auf die Generierung spontaner epileptischer Anfälle im Post-SE-BLA-Modell. Auch in diesem Modell ging die PSA-Degradierung mit einem gesteigerten Defensivverhalten einher und blieb ebenfalls ohne Auswirkungen auf die Kognition. Das für dieses Modell typische Auftreten einer Neurodegeneration wurde durch das Fehlen von PSA nicht beeinflusst. Analog zum Amygdala-Kindling-Modell war die anfallsinduzierte Bildung und das Überleben von neuen Neuronen vermindert. Auch diese Ergebnisse bestätigen die Vermutung, dass dem PSA-NCAM-System eine entscheidende Relevanz für die anfallsabhängige neuronale Plastizität zukommt, die Netzwerkalterationen und Störungen des Affektverhaltens bedingen können. In Analogie zu dem Post-SE-BLA-Modell ging die genetische Defizienz von NCAM und der Polysialyltransferase ST8SiaIV mit einer anfallsmodulierenden Wirkung einher. Interessanterweise hatte das Fehlen des gesamten Glykoproteins bzw. das Fehlen von PSA divergierende Auswirkungen auf die SE-bedingte Mortalität und das Affektverhalten der Tiere. Weiterführende Untersuchungen sollen zudem die Auswirkungen der genetischen Defizienz und die statusbedingten Alterationen auf die Neurogenese und Neurodegeneration aufklären. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen demonstrieren einheitlich die Relevanz des PSA-NCAM-Systems für akut ablaufende neuronale Veränderung während des Anfallgeschehens. Zudem konnten lang anhaltende Aberrationen auf der Netzwerkebene gefunden werden, welche von anfallsinduziert neugebildeten Neuronen ausgingen. Diese Netzwerkveränderungen konnten weiterhin mit Störungen des Affektverhaltens in Verbindung gebracht werden. Weiterführende Untersuchungen werden diese Problematik fokussiert behandeln. Ob eine Modifikation des PSA-NCAM-Systems als Zielstruktur für eine antiepileptogene Therapie geeignet ist, konnte abschließend nicht geklärt werden. Um diese Frage zukünftig zu beantworten, könnten Untersuchungen an konditionellen Knockoutmäusen hilfreich sein, bei denen entwicklungsbiologische Störungen ausgeschlossen werden können. Des Weiteren könnten akute und chronische Untersuchungen NCAM-mimetischer Peptide und von PSA-Analoga in Epilepsiemodellen nützlich sein. Die bisherigen Ergebnisse demonstrieren jedoch eindrucksvoll, dass Modulationen extrazellulärer Glykoproteine eine elegante und hoffnungsvolle Möglichkeit für die Beeinflussung neuronaler Funktionen im Erkrankungsmodell bieten.
Epilepsy is the most common chronic neurological disease in humans and animals. The pharmacotherapy of epilepsy is limited to the lifelong administration of anticonvulsants, which is associated with severe side effects. Thereby, epilepsy can burden and shorten the patient’s life. Moreover, a majority of patients are resistant to the variety of anticonvulsants. The prevention of epilepsy is therefore desirable from a medical and social view. Epilepsy is often symptomatic, i.e. occurs following an initial insult, like head trauma. The exact mechanisms of epileptogenesis are so far not well understood. Because the basis for a causal antiepileptogenic therapy are lacking, we experimentally characterized the impact of neuronal plasticity and especially neurogenesis on the generation of an epileptic neuronal network. In addition, the impact of neuronal plasticity and neurogenesis on epilepsy-associated comorbidities, like cognitive decline and behavioral disturbances was investigated. Chronic epilepsy models were used for these studies. Recent studies demonstrated the relevance of the PSA-NCAM system for neuronal plasticity and neurogenesis. For this reason the effects of a genetic deficiency within the PSA-NCAM system or the effects of a transient de-polysialylation of NCAM on epileptogenesis-associated plasticity as well as the fate, the migration and the network integration of seizure-induced newborn neurons were examined. Modulations of the PSA-NCAM system should also supplement existing data regarding the functional significance of this glycoprotein for cognitive functions and emotional behavior. It could be demonstrated, that inhibition of neurogenesis by selective hippocampal x‑ ray treatment resulted in a decrease of seizure severity following amygdala-kindling induced seizures. The observed inhibitory effect on kindling-progression moreover indicated, that seizure-induced newborn neurons exert proconvulsive properties, which may facilitate epilepsy. To investigate the underlaying neurological mechanisms, additional studies are in progress. The transient de-polysialylation of NCAM caused acute effects on seizure susceptibility, but not on kindling-progression in the amygdala-kindling model. A lack of PSA was moreover aligned with anxiety-associated behavioural dysfunctions, but not with a cognitive decline. In this model, a reduced migration, differentiation and survival of seizure-induced newly born neurons was observed following the de-polysialylation of NCAM. These results support the hypothesis, that the PSA-NCAM system exhibits a constitutive impact on seizure-induced neuronal plasticity, which results in long-lasting network-changes with implications on emotional behaviour. The transient de-polysialylation of NCAM caused acute seizure-modulating effects on the self sustained SE, but not on the generation of spontaneous recurrent seizures in the post-SE-BLA model. A lack of PSA was also aligned with anxiety-associated behavioural dysfunctions, but not with a cognitive decline. The typical occurrence of status-induced neurodegeneration was not influenced by the de-polysialylation of NCAM. Analogous to the amygdala-kindling model, the seizure-induced generation and survival of newborn neurons was decreased. These results are in line with the previous mentioned hypothesis, that the PSA-NCAM system exhibits a constitutive impact on seizure-induced neuronal plasticity, which results in long-lasting network-changes with implications on emotional behaviour. Genetic deficiencies in the PSA-NCAM system exhibit a modulatory effect on ongoing status epilepticus, which is comparable to the post-SE-BLA model. Interestingly, the lack of the entire NCAM molecule or the lack of ST8SiaIV exerts divergent effects on status-dependant mortality and emotional behaviour. Further studies aiming to identify the impact of genetic deficiencies in the PSA-NCAM system on status-induced neurodegeneration and alterations of neurogenesis are currently in progress. The results clearly demonstrate the relevance of the PSA-NCAM system for ongoing seizure activity. Moreover, long-lasting alterations at the network level have been found, initiated by seizure-induced newly born neurons. These network-changes seem to be associated with an altered emotional behaviour of the animals. Further studies will focus on this point. Whether the PSA-NCAM system is a suitable target for an antiepileptigenic therapy or not, can not be finally clarified. In order to answer this question, future studies on conditional knockout mice which lack developmental disturbances may be helpful. In addition, investigations of NCAM-mimetics and PSA-analogues in acute and chronic epilepsy models may be useful. On the strength of the past experience, the results strikingly demonstrate that modulations of extracellular glycoproteins are feasible to influence neural functions in CNS models.
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