Die Immunschwäche der Katze
Gegenstand dieser Arbeit ist der zeitgeschichtliche Vergleich dreier, bis in die heutige Zeit schwerwiegender Virusinfektionen: FIV, HIV und SIV. Dargestellt werden die Anfänge und Entwicklung der Infektion mit dem felinen Immundefizienzvirus, sowie Parallelen und Unterschiede im direkten Vergleich zur Geschichte des humanen AIDS und des simianen AIDS betrachtet. Rückblickend soll versucht werden zu klären, wie lange die einzelnen Spezies bereits von der Präsenz dieser Lentiviren betroffen sind und wo, nach aktueller Einschätzung der Wissenschaft, deren vermutlicher Ursprung zu finden ist. Abschließend wird ein Überblick über aktuelle Therapiemodelle und ein Ausblick in die Zukunft der Impfstoffentwicklung auf diesem Gebiet gegeben. Mit der Entdeckung der Ursache einer neuzeitlichen Krankheit, AIDS, im Jahre 1983, sahen sich Wissenschaftler mit der größten Herausforderung auf dem Gebiet der Virologie konfrontiert: HIV. Die Behandlung dieser bis dahin unbekannten Immundefizienz mit dem stets fatalen Verlauf, sowie die Entwicklung eines geeigneten Impfstoffes stellt sich bis heute als eine der größten Herausforderungen der Wissenschaft dar. Nur kurze Zeit nach der bahnbrechenden Identifizierung dieses neuen Mitglieds der Familie der Retroviren erregte eine mysteriöse Katzenkrankheit das Aufsehen der Mediziner. Niels C. Pedersen und seine Mitarbeiter beobachteten seit Anfang der 1980er Jahre ungewöhnliche Krankheitsfälle in einem Mehrkatzen-Heim in Petaluma, Kalifornien. Mittels intensiver Forschung gelang Pedersen 1986, zwei Jahre nach Entdeckung des HIV, die Isolierung eines bis dahin nicht bekannten felinen T-lymphotropen Lentivirus, welches zunächst FTLV bezeichnet wurde. Im Zuge weiterer Forschung stellte man die verblüffenden Gemeinsamkeiten zum HIV fest und benannte das Katzenvirus in Analogie zum HIV in FIV um. Von diesem Moment an realisierte man das große Potential dieser Katzenerkrankung als hervorragendes Tiermodell zur Erforschung von HIV. Das in der Zwischenzeit, 1985, bei nicht-menschlichen Primaten entdeckte SIV bot sich schließlich zusätzlich als weiteres Tiermodell zur Entschlüsselung der neuartigen Immundefizienzerkrankungen an. Obwohl FIV hinsichtlich seiner Nukleotidsequenz dem equinen infektiösen Anämievirus der Pferde ähnelt, ist es biologisch, klinisch und hinsichtlich seiner Pathogenese dem HIV des Menschen sehr ähnlich. Angesichts der Tatsache, dass FIV in geographisch unterschiedlichen Prävalenzen von bis zu 44% weltweit vertreten ist, stellt es außerdem noch ein wichtiges Pathogen für die Katzenwelt dar, dessen Ursprung daher von großer Bedeutung ist. In verschiedensten Teilen der Welt bemühten sich Wissenschaftler vom Zeitpunkt der Entdeckung an, FIV bis auf die ersten Fälle zurückzuverfolgen, was angesichts nur zeitlich-limitiert gelagerter Blutproben ein Problem darstellte. In Japan von Furuya et al. untersuchte konservierte Blutproben aus den Jahren 1966 bis 1989 ergaben immerhin zwei FIV-positive Ergebnisse aus dem Jahre 1968. Ähnliche Ergebnisse konnten Shelton et al. für die USA belegen. Eine positiv auf FIV getestete Blutprobe stammte aus dem Jahr 1968, acht weitere aus dem Jahr 1975. Diese Untersuchungen belegen, dass FIV schon Ende der 1960er Jahre weltweit verbreitet war. Studien an nicht domestizierten Feliden ergaben, dass mindestens 17 von 36 felinen Spezies natürlich infiziert sind und FIV, ähnlich dem SIV, in der Natur weit verbreitet ist (Friedman et al. 2006). Das große Ausmaß an genetischen Variationen bei FIV Isolaten innerhalb und zwischen den Spezies weist darauf hin, dass FIV, wiederum analog dem SIV der afrikanischen Affen, bereits seit „Ewigkeiten“ in Wild- und Großkatzen präsent ist. Die Tatsache, dass die absolute Mehrheit dieser Katzenspezies ebenso symptomlos bleibt wie die natürlichen Affenwirte des SIV, deutet auf eine langzeitliche Adaptation hin, welche vermutlich über Millionen von Jahren stattfand. Wie beim FIV der exotischen Katzen weist die genetische Variabilität der FIV-Isolate der Hauskatzen ebenfalls darauf hin, dass auch dieses Virus bereits seit Millionen von Jahren präsent ist. Es darf angenommen werden, dass es seit dem Hervorgehen der Hauskatzen aus ihren wildlebenden Vorfahren existiert (Gardner 2003). Wie bei den Feliden gibt es auch bei den Affen eine hohe SIV-Prävalenz, sowie ein großes Verteilungsmuster zwischen mindestens 30 verschiedenen Spezies nicht-menschlicher afrikanischer Primaten. In geringer Prävalenz wurde SIV als SIVcpz auch bei Schimpansen gefunden, welches als Ursprung des menschlichen HIV-1 gilt und vermutlich in den 1930er Jahren in Zentralafrika über den Verzehr von Affenfleisch auf den Menschen übertragen wurde. Ebenso wie die wildlebenden Feliden bleiben die afrikanischen Affen als natürliche Wirte des jeweiligen SIV gesundheitlich unauffällig, was auch in diesem Fall darauf zurückzuführen ist, dass sie das Virus vermutlich bereits seit Millionen von Jahren beherbergen, sodass auch hier ein Prozess der Anpassung stattgefunden hat (Gardner 2003). Aufgrund der extremen Mutationsbereitschaft dieser Lentiviren gestaltet sich die Entwicklung eines Impfstoffes als sehr schwierig. Gerade in diesem Bereich stellen Katzen als natürliche Wirte mit einer AIDS-ähnlichen Erkrankung ein wertvolles Tiermodell dar. Im Unterschied zu den Affen, die selten bzw. nur unter experimentellen Bedingungen nach SIV-Infektion erkranken, dafür aber genetisch eine deutlich größere Ähnlichkeit des Virus zum HIV aufweisen, zeigen natürlich infizierte Katzen einen sehr ähnlichen Krankheitsverlauf wie menschliche AIDS-Patienten. Einzig die experimentelle Infektion asiatischer Makaken mit dem SIV zeigt einen vergleichbaren Krankheitsverlauf, der jedoch häufig deutlich virulenter als bei Mensch und Katze verläuft. Angesichts der Tatsache, dass die Haltungsbedingungen von Katzen deutlich einfacher und kostengünstiger sind als die der Affen, werden Katzen auch weiterhin das wesentliche Modell in der Entwicklung weiterer Therapiekonzepte und Impfungen darstellen. Trotz des weltweiten Einsatzes von Milliarden-Geldern in HIV-Forschungsprojekte, existiert bis zum heutigen Tag keine schützende Impfung für Menschen. Allerdings ist seit mehreren Jahren ein kommerzieller inaktivierter FIV-Impfstoff für Katzen in verschiedenen Ländern der Welt erhältlich. Trotz einiger Schwachpunkte hinsichtlich seiner Effizienz als Schutz gegen die verschiedenen Subtypen erscheint er als geeigneter Kandidat zur Weiterentwicklung humaner Impfstoffkandidaten. Derzeit bleibt bei der Entwicklung einer Impfung zum Schutz vor AIDS stets die Unsicherheit, wie sicher eine solche Vakzine tatsächlich sein kann. Angesichts einer unheilbaren Krankheit wie AIDS kann z. B. ein technologisch nur inkomplett inaktiviertes Virus mittels einer Impfung zu einer Infektion, chronischer Krankheit und schließlich zum Tode führen. Obwohl die Unterschiede zwischen FIV und HIV größer sind als zwischen SIV und HIV, geben die eklatanten Ähnlichkeiten im Krankheitsverlauf wichtige Erkenntnisse zur Erforschung von AIDS. Ob die Erfolge in der Entwicklung des felinen Impfstoffes, basierend auf einem Tiermodell, auf den Menschen übertragen werden können, ist schwer vorherzusagen. Letzte Erkenntnis wird man diesbezüglich nur in präklinischen Studien möglicher Impfstoffkandidaten erfahren. Nichtsdestotrotz ist aber davon auszugehen, dass, wenn eine in einem Tiermodell entwickelte Impfstrategie in einem zweiten Tiermodell nicht erfolgreich ist, sie auch beim Menschen unter Umständen wenig erfolgreich sein wird. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass ein bei mehreren Tiermodellen bewährtes Impfmodell auch gegen HIV beim Menschen schützen kann. Da FIV seit Jahrzehnten weltweit ein ernstes Pathogen in Katzenpopulationen ist, wird von der Entwicklung eines humanen AIDS-Impfstoffes auch die Tierärzteschaft und Katzenpopulation profitieren. Nach derzeitigem Stand der Forschung wird die Umsetzung jedoch vermutlich noch Jahre auf sich warten lassen.
Subject of this thesis is the contemporary historical comparison of three severe virus infections: FIV, HIV and SIV. The beginning and development of the infection with the feline immunodeficiency virus will be depicted, as well as differences and similarities to the history of human AIDS and simian AIDS will be shown. In retrospective an attempt is made to find out for how long the different species are affected by the presence of these Lentiviruses and where, concerning to the most actual results of science studies, their origin has to be presumed. An overview of the latest treatment options and criteria for vaccine development will finally be presented. The discovery of the cause of one of todays most dangerous diseases, AIDS, in the year 1983, confronted scientists all over the world with the biggest virological challenge ever: HIV. Treatment of this formerly unknown immunodeficiency with the fatal course and the development of an efficient vaccine are still among the major challenges to the world community of scientists. The discovery of this new member of the retrovirus family was a landmark. Shortly after this, a mysterious disease among cats caught the eyes of veterinarians. From the beginnings of the 1980s Niels C. Pedersen and his coworkers recognized a significant change in the pattern and severitiy of disease in a large colony of cats in Petaluma, California. 1986, two years after the isolation of HIV, Pedersen isolated a highly T-lymphotropic virus form cats, which was first named FTLV. Further study of this virus showed striking similarity to the human HIV, so that FTLV became FIV. From this moment on Pedersen and coworkers realized its great potential as a model for human immunodeficiency virus (HIV) studies. Another virus, which was in the meantime (1985) discovered in non-human primates, the SIV, offered an additional role as animal model in decoding the new immunodeficiency diseases. Although the genomic structure of FIV, especially in the intergenomic region, is closely aligned with the equine infectious anaemia virus of horses, it is also related to HIV and the clinical and biological features of infection are highly analogous. Due to the fact, that FIV is enzootic worldwide and that its prevalence varies greatly depending on geographical locations up to 44% it is an important health problem for domestic cats throughout the world. Discovering its origin will therefore not only help to understand the pathogenesis of HIV but will also benefit the natural host species. Scientist all over the world still try to trace back FIV to the onset of the disease which is with respect to the stored blood samples arduous. Furuya et al. discovered in Japan sera from two infected cats in stored samples as far back as 1968, Shelton et al. identified in the USA one sample from blood from 1968, eight more from 1975. These detections prove, that even in the 1960s FIV was enzootic worldwide. Studies in non-domestic cats showed, that at least 17 of 36 nondomestic feline species are naturally infected and that FIV, like SIV, is widespread in nature (Friedman et al. 2006). The wide extent of genetic variation among FIV isolates within and between species indicates, that analogous SIV, FIV has been present for eons in nondomestic cats. Presumably due to this longtime adaptation the natural simian hosts of SIV and the natural nondomestic feline hosts of FIV remain asymptomatic. Even in domestic cats we find genetic variation of FIV in a wide extent, similar to the one in exotic cats. This may also indicate that the virus has been present in domestic cats ever since they evolved from feral cats. Analogous to FIV, virus isolation results on captive and feral monkeys proved, that SIV was indigenous, highly prevalent and genetically divergent among at least 30 different species of African nonhuman primates. In low prevalence SIVcpz was found in African chimpanzees, who were later shown to be the source of HIV and AIDS by cross-species transmission via biting and eating meat from infected monkeys. Due to the fact, that HIV is the most mutable virus scientists have ever encountered, the development of a vaccine candidate is extremely difficult. Thus cats, as a natural host with a similar course of disease, are a highly informative animal model. Although Simian Immunodeficiency Virus (SIV) is somehow a valuable model for HIV, especially because it is most closely related to HIV, there are some caveats. Paradoxically, SIV does not cause clinical disease in its natural west African simian host, whereas the Asian macaques can be experimentally infected and often show then a very virulent course of the disease. So the clinical signs in the initial stage of SIV infection ate more variable, depending on the strain of virus and species of macaque that is infected. The clinical signs of primary FIV infection in turn are very similar to those described for acute HIV infection. So although the macaque infection is a useful animal model for HIV, the advantages of the FIV model far outweigh its limitations. There are especially the advantages of lower costs, greater availability to the scientific community and easier adequate housing facilities for cats than for monkeys. Until today researchers worldwide did not manage to find the one vaccine that is efficient and preventive against HIV. On the other hand, a licensed vaccine against feline AIDS is already in widespread use in several countries. This vaccine, whose development has been the object of considerable international research effort, now has intrinsic value as well as the potential to provide a powerful proof of concept in vaccination against HIV. Nevertheless, questions remain to be answered. This is e.g. the duration of immunity, the extent of protection etc. Furthermore there is the concern that inactivated vaccines could, in the event of incomplete inactivation, result in chronic infection and death. Although there are differences, the many parallels between FIV, SIV and HIV illustrate the remarkable unity in nature in the behavior of these Lentiviruses and highlight their immense value for preclinical basic investigations. An animal model can never be a 100% predictive of the response in humans, but it is likely, that a vaccinal strategy that affords protection in several animal models will also afford protection, at least to a certain extent, in humans. In the last decades FIV is worldwide a severe pathogen in domestic cats. The development of an efficient vaccine against both, FIV and HIV, still seems to be of comparable difficulty and may take years to come, but it will finally benefit both, humans and cats.
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