Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo)TiHo eLib

Kinetische und elektromyographische Bewegungsanalyse beim Hund mit reversibel induzierter Hinterhandlahmheit

Eine Lahmheit ist durch Abweichungen vom physiologischen Gangbild gekennzeichnet. Wie der Hund einen partiellen Verlust der Funktion einer Hintergliedmaße kompensiert, ist bisher aufgrund der Betrachtung einzelner Aspekte des Gangbildes und auch der Unterschiedlichkeit der eingesetzten Untersuchungstechniken nicht ausreichend verstanden. Ziel dieser Arbeit war, die Veränderungen ausgesuchter metrischer, kinetischer und elektromyographischer Parameter in Anpassung an eine Hinterhandlahmheit beim Hund zu untersuchen. Diese Ergebnisse sollen zukünftig ein besseres Verständnis über die Kompensationsmechanismen beim Hund liefern und so aktuelle Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmen verbessern. In dieser Arbeit wurden ausgewählte biomechanische und muskelphysiologische Gangparameter mit Hilfe der computergestützten Ganganalyse auf einem Laufband untersucht, um Aussagen über die veränderte Belastung aller Gliedmaßen sowie  über die Anpassung zeitlicher Gangparameter und der Aktivierungsmuster von M. triceps brachii, M. vastus lateralis und M. longissimus dorsi beim Hund mit distaler Stützbeinlahmheit der Hinterhand zu erhalten. Um einen direkten Vergleich dieser Parameter vor und nach Induktion der reversiblen Hinterbeinlahmheit zu ermöglichen, wurden in Bezug auf Alter, Gewicht und Größe sehr ähnliche Beagle im Schritt und Trab untersucht. Der Fokus dieser Arbeit lag dabei auf dem Vergleich 1) der Fußfallmuster für eine Aussage der Veränderungen in den Bodenkontaktzeiten und der Fußfolge, 2) der vertikalen Bodenreaktionskräfte, um die Umverteilung des Körpergewichts analysieren zu können, sowie 3) der Aktivierungsmuster von zwei Gliedmaßen- und einem Rückenmuskel, um Veränderungen im zeitlichen Verlauf und/oder der Höhe der Aktivierung zu prüfen. Nach Induktion der Lahmheit in der rechten Hinterextremität waren im Schritt und im Trab die vertikalen Bodenreaktionskräfte (PFz, MFz, IFz) in dieser Gliedmaße vermindert und im kontralateralen Hinterbein erhöht. Kranial zeigte die ipsilaterale Gliedmaße eine Erhöhung von PFz und die kontralaterale Gliedmaße ein Ansteigen von MFz und eine Erhöhung von IFz im Schritt. Im Fußfallmuster zeigte sich im Schritt in der kontralateralen Vorder- und Hintergliedmaße eine verlängerte Standphase, vorne verbunden mit einem späteren Abfußungszeitpunkt. Im Trab kam es ebenfalls in beiden kontralateralen Gliedmaßen zu einer verlängerten Standphase und zusätzlich auch in der ipsilateralen Hintergliedmaße. In beiden Hintergliedmaßen war dies mit einem späteren Abfußungszeitpunkt im Schrittzyklus verbunden. Die elektromyographischen Ergebnisse des M. vastus lateralis als Antigravitations-muskel zeigten, dass eine vermehrte Belastung von der kontralateralen Hintergliedmaße auch zu einer erhöhten Aktivierung in diesem Muskel geführt hat. Genauso kommt es in der betroffenen Gliedmaße durch die verminderte Belastung zu einer verringerten Aktivierung im M. vastus lateralis. Die Muskeln zeigten beidseits eine verlängerte Aktivität, welche vermutlich durch die verlängerte Standphase in den Hintergliedmaßen bedingt war. Die vermehrte  Muskelrekrutierung kann zu Hyper- und die verminderte Aktivierung zu Atrophie in den betroffenen Muskeln führen. Der M. triceps brachii zeigte keine Veränderungen im Rekrutierungsmuster, was anhand der kinetischen Ergebnisse auch erwartet wurde. Der M. longissimus auf der linken Körperseite zeigte einen späteren Beginn und ein späteres Auftreten der maximalen Amplitude der ersten Aktivität sowie eine verminderte maximale Amplitude in der zweiten Aktivität. Diese Veränderungen gehen vermutlich mit veränderten Rumpf- und Beinbewegungen einher. Der rechte M. longissimus zeigte ein unverändertes Rekrutierungsmuster. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die verminderte Belastung einer Hintergliedmaße zu einer kompensatorischen Umverteilung der Kräfte auf die übrigen Gliedmaßen führt, um die Entlastung der eingeschränkten Gliedmaße zu erlauben. Dies kann jedoch beim chronisch lahmenden Hund zu Folgeschäden in den Gelenken der vermehrt belasteten Extremitäten führen, was bei der orthopädischen Untersuchung immer berücksichtigt werden muss. Die damit einhergehende veränderte Aktivierung der involvierten Muskulatur muss bei Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmen berücksichtigt werden, um z. B. mittels gezielten Muskeltrainings große Asymmetrien in der Belastung zu vermeiden.

To cope with the loss of a limb`s function, dogs possess compensatory strategies. The resulting lameness is marked by deviations of the animal`s gait from the physiological pattern. Which changes occur in ground reaction forces (GRF) as well as the muscle activity has not been studied in detail yet. Therefore, this project was designed to determine the changes in selected kinetic, kinematic and electromyographic parameters associated with a moderate hindlimb lameness. The presented results may foster new ideas for the treatment and rehabilitation of hindlimb lame patients in future. In order to evaluate the changes in load distribution and muscle activity patterns in adaption to lameness, we trained dogs to walk and trot on a treadmill and recorded the vertical ground reaction forces and the activity of two leg and one back muscle bilaterally before and after a transient load-bearing hindlimb lameness was induced. To allow for the comparison of these data without introducing variability due to differences in breed, age or weight, the examined dogs were all Beagles of comparable size and age. After lameness was induced, the vertical force was decreased in the ipsilateral and increased in the contralateral hindlimb at both gaits. While peak force increased, no changes were observed for mean force and impulse in the ipsilateral forelimb when the dogs walked or trotted. In the contralateral forelimb, peak force was not changed, but mean force increased during walking and trotting and vertical impulse increased during walking. Relative stance duration increased in the affected hindlimb when the dogs trotted. In the contralateral fore- and hindlimbs, relative stance duration increased during walking and trotting, but decreased in the ipsilateral forelimb during walking. Consistent with the unchanged vertical forces as well as temporal parameters, neither the timing nor the excitement changed significantly in the m. triceps brachii. In the ipsilateral m. vastus lateralis, peak activity and integrated SEMG area were decreased, while they were increased in the contralateral limb. In both sides, the duration of the muscle activity was significantly longer due to delayed offset. These observations were in accordance with previously described kinetic and kinematic changes. Changes in the activation pattern of the m. longissimus dorsi concerned primarily the unilateral activity and was discussed regarding known alterations in truncal and limb motions. The current study provides new insights into the compensatory mechanisms of hindlimb lame dogs and its findings are informative when designing new treatment options and rehabilitative exercises such as targeted muscle training to prevent chronic asymmetries in the stresses of the musculo-skeletal system.

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