Untersuchungen zur antiepileptogenen und antikonvulsiven Wirkung des NKCC1-Inhibitors Bumetanid
Epilepsien zählen zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen bei Mensch und Tier. In der Tiermedizin sind vor allem Hunde und Katzen betroffen. Symptomatische Epilepsieformen wie die Temporallappenepilepsie entwickeln sich typischerweise mit einer Latenzzeit von Monaten bis Jahren nach Hirninsulten, wie Schädel-Hirn-Traumata, Schlaganfällen, Entzündungen oder auch nach einem Status epilepticus. Während dieser Zeit im Gehirn der Betroffenen ablaufende Veränderungen werden unter dem Begriff Epileptogenese subsumiert. Derzeit existiert keine effektive Möglichkeit, während der Epileptogenese präventive Maßnahmen zu ergreifen, um die Entwicklung von Epilepsien entweder ganz zu unterbinden oder wenigstens einen milderen Verlauf dieser Erkrankung erreichen zu können. Somit handelt es sich bei Epilepsie um eine Erkrankung, bei der die Risikogruppe zwar wohl bekannt ist, jedoch bis jetzt keine therapeutische Option verfügbar ist, diese erfolgreich prophylaktisch behandeln zu können. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass sich nach Hirninsulten während der Epileptogenese adulte Neurone in Richtung neonataler Eigenschaften verändern, die die für Epilepsien typische Übererregbarkeit des Gehirns teilweise erklären könnte. In diesem Kontext kommt es in den Nervenzellen durch eine erhöhte Expression des Natrium-Kalium-Chlorid-Kotransporters NKCC1 und eine gleichzeitige verminderte Expression des Kalium-Chlorid-Kotransporters KCC2 zu einer erhöhten intrazellulären Chlorid-Akkumulation. Dieser während der Ontogenese eigentlich physiologische Zustand hat im ausgereiften Gehirn pathologische Konsequenzen. So lässt der GABA-gekoppelte Chloridkanal nach Aktivierung durch den eigentlich inhibitorisch wirksamen Neurotransmitter GABA plötzlich Chlorid aus der Zelle statt in die Zelle, wodurch die neuronale Membran depolarisiert anstatt hyperpolarisiert wird. Somit verändert sich die Wirkung von GABA von inhibitorisch zu exzitatorisch, sodass die Neurone durch GABA erregt statt gehemmt werden. Die Konsequenzen könnten dabei sein, dass dadurch zum einen die Epileptogenese erst entsteht und zum anderen GABA-potenzierende Antiepileptika während der Epileptogenese unwirksam sind oder sogar pro-epileptogen wirken könnten. Das Diuretikum Bumetanid ist aufgrund seines Wirkungsmechanismus als NKCC-Inhibitor in den letzten Jahren als mögliche neue therapeutische Option zur Behandlung von Epilepsien, aber auch zur Behandlung anderer Erkrankungen wie zerebralen Ödemen oder Autismus, zunehmend in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Das Ziel dieser Ph.D.-Arbeit war, mithilfe von In-vivo-Modellen für Temporallappenepilepsie zu untersuchen, inwieweit Bumetanid als neue Option zur Epilepsieprävention und -behandlung für Mensch und Tier ein probates Mittel darstellen könnte. Im Rahmen dieser Arbeit konnte festgestellt werden, dass in Kombination mit dem Antiepileptikum Phenobarbital in einer Dosierung, bei der Phenobarbital alleine unwirksam war, kombiniert mit Bumetanid oder dem neusynthetisierten Derivat BUM5 signifikante antikonvulsive Effekte erzielt werden können. Das Ziel war dabei, NKCC1 zuerst durch Bumetanid bzw. BUM5 zu blocken, um so über eine Verminderung der intrazellulären Chloridmenge die GABAerge Inhibition von Phenobarbital zu potenzieren. Die erzielten Resultate zeigen, dass diese Strategie erfolgreich war. Hierbei erwies sich zudem BUM5 als die potentere Substanz von beiden. Weder mittels intrazerebroventrikulärer Applikation von Bumetanid noch unter einer intravenösen Behandlung mit Bumetanid oder BUM5 allein konnten bei voll gekindelten Ratten antikonvulsive Effekte beobachtet werden. Darüber hinaus konnten im Kindling-Modell, trotz einer Halbwertszeitverlängerung von Bumetanid mittels Piperonylbutoxid, keine antiepileptogenen Effekte erzielt werden. Vielmehr ließ sich hierbei ein leicht pro-epileptogener Effekt erkennen. Im Pentylentetrazol-Krampftest bei Mäusen konnte kurz nach einem pilokarpin-induzierten Status epilepticus ein unerwarteter Anstieg der Krampfschwelle beobachtet werden, der mit BUM5 und Bumetanid teilweise antagonisiert werden konnte. Hierbei erwies sich BUM5 24 h nach Status epilepticus in Teilen effektiver als Bumetanid. Weder Bumetanid noch BUM5 konnte bei naiven Tieren oder zu einem späteren Zeitpunkt nach SE einen Effekt auf die PTZ-Krampfschwelle ausüben. Die im Rahmen dieser Ph.D.-Arbeit erzielten Resultate geben Anstoß für zahlreiche weitere Studien, um vor allem das antiepileptogene Potential von BUM5 zu charakterisieren. Zum jetzigen Zeitpunkt kann festgehalten werden, dass BUM5, auch aufgrund seiner geringeren diuretischen Wirkung, in Verbindung mit einem GABA-Agonisten zur Behandlung von Epilepsien besser geeignet sein könnte als Bumetanid.
Epilepsies represent among the most common neurologic diseases in humans, dogs and cats. Symptomatic epilepsies and particular temporal lobe epilepsy can be induced by a variety of brain insults, including traumatic brain injury, stroke, inflammations or status epilepticus. After a latency period, termed epileptogenesis, that can take several months or even years, spontaneous recurrent seizures may occur. Up to now no antiepileptogenic drug treatments are available to prevent or to modify the development of epilepsy. Therefore, epilepsy represents a disease where patients at risk are well known but no prophylactic treatment exists so far. For some years now, it is known that during epileptogenesis several neuronal changes progress, which could partly explain the development of cerebral hyperexcitability and indicates recapitulation of ontogenesis. In this context it is known that after brain insults the potassium-chloride-co-transporter KCC2 is downregulated while the sodium-potassium-chloride-co-transporter NKCC1 is upregulated, leading to an increase of intracellular chloride and to a shift from hyperpolarizing, inhibitory to depolarizing and even excitatory GABA action that contributes to the development of neuronal hyperexcitability in the brain. On the one hand this process itself might induce epileptogenesis and on the other hand could be the reason why GABA-potentiating antiepileptic drugs are ineffective or could even act pro-epileptogenic during epileptogenesis. During recent years the diuretic drug bumetanide has attracted much scientific interest as a new putative therapeutic option due to its mechanism of selectively blocking NKCC. Furthermore it has been implicated in the treatment of conditions such as cerebral edema or autism. The objective of this Ph.D.-Thesis was, to investigate in in-vivo-models of temporal lobe epilepsy, whether bumetanide would be a useful tool for human and veterinary use to prevent epileptogenesis as well as to treat epilepsy. Within this study it could be demonstrated that bumetanide as well as the newly synthesized prodrug BUM5 were able to potentiate significantly the anticonvulsive effects of the antiepileptic drug phenobarbital at a dosage at which phenobarbital alone was ineffective. The goal was in a first step, to block NKCC1 with bumetanide/BUM5 and thereafter to administer the GABA-agonist phenobarbital to enhance the potency of GABAergic action. The results demonstrate that this strategy led to success. Furthermore, it could be observed that BUM5 was more effective compared to the parent drug. Nor intracerebroventricular neither intravenous treatment with bumetanide or BUM5 were able to induce anticonvulsive effects in fully kindled rats. Furthermore, prolongation of the half-life of bumetanide via pretreatment with piperonyl butoxide did not lead to antiepileptogenic effects in the kindling model. In contrast, a slightly pro-epileptogenic effect could be observed. Shortly after a pilocarpine-induced status epilepticus in mice, an increase of the seizure threshold could be observed which was unexpected. This increase could be partly counteracted by both BUM5 and bumetanide. 24 hours after status epilepticus it could be observed that BUM5 was partly more effective than the parent drug. Nor bumetanide neither BUM5 could alter the PTZ-seizure-threshold in non-epileptic mice or at later time points after status epilepticus. These results give rise to perform additional studies, in order to further characterize the antiepileptogenic potency of BUM5. At this stage it can be assumed that compared to bumetanide, the less diuretic drug BUM5, as adjunct to GABA-agonists, would be a better option for the treatment of epilepsy.
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