Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo)TiHo eLib

Untersuchung zur Elektrobetäubung von Karpfen (Cyprinus carpio L.)

Vor der Schlachtung sind nach § 12 Abs.1 der Tierschutzschlachtverordnung (TIERSCHLV) Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen, „so zu betäuben, dass sie schnell und unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit versetzt werden“. Diese Vorschrift schließt Fische ebenso mit ein. Unter Tierschutzaspekten ist entscheidend, dass die verwendete Betäubungsmethode den Fisch nicht nur schnell und langanhaltend, sondern auch eindeutig in den Zustand der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit überführt. In der Praxis sollte dieser Zustand unzweifelhaft anhand von äußeren Merkmalen erkennbar sein. Zur Betäubung von Karpfen sind derzeit unter anderem das Abschlagen und die elektrische Durchströmung im Wasserbad zugelassen. In der vorliegenden Arbeit wurde die elektrische Durchströmung von Karpfen im Wasserbad untersucht. Dabei wurden Karpfen in Speisefischgröße vier unterschiedlichen elektrischen Feldern ausgesetzt. Es konnten unter den verwendeten elektrischen Bedingungen Stromdichten von 0,09, 0,14, 0,28 und 0,41 A/dm² erreicht werden. Zur Beurteilung der Reizwahrnehmung nach der Durchströmung wurden intracranial abgeleitete, visuell evozierte Potentiale (visually-evoked response, VER), die mit Hilfe von Lichtblitzen ausgelöst wurden, im Elektroenzephalogramm herangezogen. Das Vorhandensein bzw. das Ausbleiben der neuronalen Antwort auf den Lichtreiz (als VER) wurde mit der Präsenz oder dem Fehlen folgender Reflexe und Verhaltensmerkmale in Korrelation gebracht: Augendrehreflex, Kiemendeckelbewegung/Atembewegungen, Fähigkeit zur Korrektur der eigenen Körperposition. Weiterhin wurden in einem Teichwirtschaftsbetrieb bei Karpfen nach elektrischer Durchströmung hämatologische Stressparameter und einige Fleischqualitätsparameter erhoben und mit Werten verglichen, die bei Karpfen nach Betäubung durch Abschlagen gemessen wurden. Unsere Ergebnisse lassen erkennen, dass nahezu alle Karpfen nach der elektrischen Durchströmung nach Abschalten des Betäubungsstromes eine positive Reaktion auf einen Lichtreiz in Form eines VERs zeigten. Die Qualität der visuell evozierten Reaktionen erschien nach der Durchströmung verändert. Es konnte beispielsweise eine Verlängerung der Latenz vor allem nach Durchströmung mit 50 Volt über 5 Minuten beobachtet werden. Insgesamt betrachtet konnte in unseren Untersuchungen kein (langanhaltender) Verlust der VERs erreicht werden. Die genannten Verhaltensmerkmale und Reflexe der Fische waren nach Betäubungsende nicht sofort präsent, sondern traten erst nach unterschiedlicher Zeit wieder auf. Je länger der Strom einwirkte, desto später kehrten die Verhaltensmerkmale und Reflexe wieder. Es lässt sich schlussfolgern, dass die beobachteten Verhaltensmerkmale und Reflexe bei Karpfen unter den untersuchten elektrischen Bedingungen nicht als Indikator für den Wahrnehmungszustand dienen können. Ein Fehlen von Verhaltensmerkmalen und Reflexen und das Erscheinungsbild eines regungslosen Fisches ließen demnach keine Rückschlüsse auf den Wahrnehmungszustand zu. Signifikant höhere Cortisol- und Glukosewerte im Plasma von elektrisch durchströmten Karpfen im Vergleich zu abgeschlagenen Karpfen, lassen auf eine höhere Stressbelastung durch die elektrische Durchströmung in unseren Untersuchungen schließen. Es kann hierbei eine vermehrte Stressbelastung vermutet werden, die durch eine zur Erreichung eines Wahrnehmungsverlustes nicht ausreichende Stromdichte bedingt sein könnte. Der signifikant höhere Laktatgehalt im Blutplasma von elektrobetäubten Karpfen lässt auf eine vermehrte Muskelaktivität schließen. Im Muskel war durch die Anhäufung von Laktat ein niedriger Anfangs-pH-Wert messbar. Der pH-Wert, der im Muskel 24 Stunden post mortem gemessen wurde, ließ allerdings keine wesentlichen Unterscheide zwischen abgeschlagenen und elektrisch durchströmten Tieren erkennen. Ferner konnten bei den mittels Strom betäubten Karpfen im Muskel eine Erhöhung der Leitfähigkeit, aber keine Unterschiede in der Farbe registriert werden. Makroskopisch fielen bei den elektrisch durchströmten Karpfen Strommarken auf, vor allem bei den Tieren, bei denen die Elektrodenplatten seitlich platziert wurden. Blutungen in der Muskulatur waren insbesondere bei Karpfen, die mit 150 Volt behandelt wurden, häufiger, in der Ausprägung allerdings nicht sonderlich auffallend. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die elektrische Durchströmung, wie sie hier vorgenommen wurde, bei Karpfen nicht zu einem langanhaltenden Verlust der Reizwahrnehmung führt. Besonders sei hervorzuheben, dass das Fehlen von Verhaltensmerkmalen und Reflexen bei Karpfen nicht auf einen Zustand der völligen Wahrnehmungslosigkeit schließen lässt. Es sollten Bemühungen dahingehend angestellt werden, geeignete elektrische Parameter, die einen sofortigen und langanhaltenden Verlust der Reizwahrnehmung bei Karpfen erzielen, zu erforschen. Für diese Untersuchungen ist die Entwicklung eines in silico Modells, mit dessen Hilfe es möglich wäre, die Stromdichteverteilung im Karpfen simulieren und berechnen zu können, hilfreich. Von Vorteil ist hier die Minimierung der benötigten Versuchstierzahl. Aufgrund der Komplexität der Erarbeitung eines solchen Simulationsmodells konnten in der vorliegenden Untersuchung nur die Grundvoraussetzungen für die Modellierung geschaffen werden.

In § 12 (1) of the German Regulations for Animal Welfare and Slaughter (TIERSCHLV), it is described that prior to slaughter, food-producing animals have to be stunned using a method that ensures that they quickly, and in a way that avoids pain or suffering, reach a state of unconsciousness that lasts until death. This regulation includes fish as well. With regard to animal welfare, it is crucial that the stunning method used not only enables the stunning of the fish in a fast and long-lasting way, but also clearly displays the unconscious state of the fish. In a practical aquaculture setting, this state should be clearly recognisable by the assessing of external parameters. The stunning of carp prior to slaughter is currently permitted via a percussive method (blow on the head) or an electrical stunning method in a water bath. In the present study, the electrical stunning of common carp in a water bath was examined. Table-sized carp were exposed to four different electrical fields. Current densities of 0,09, 0,14, 0,28 and 0,41 A/dm² were achieved under these applied electrical conditions. The ability for cognition was assessed by the recording of visually-evoked responses (VER) in the EEG (electroencephalogram) triggered by intermittent light flashes. The presence or absence of the neuronal response to a light stimulus (in form of a VER) was correlated with the presence or absence of the following reflexes and behavioural characteristics respectively: vestibulo-ocular reflex, opercular movement/breathing and righting behaviour. Furthermore, haematological parameters to indicate stress and parameters based on meat quality were collected from carp at the fish farm after the application of an electrical current in the water bath. These results were compared to those parameters collected from carp after stunning using the blow on the head method. Our results indicate that almost all of the carp tested showed a positive reaction to the intermittent light flashes in the form of a VER after exposure to electricity. The quality of the measurements obtained from visually evoked responses appeared to be modified. This was illustrated by a prolongation of the latency phase when the fish was exposed to an electrical current of 50 volts over 5 minutes. Overall in our examination it becomes clear that no (long-lasting) loss of the VER was achieved. The behavioural characteristics and reflexes named above were not immediately present at the end of the electrical treatment, but occur only after varying time durations. The longer the time duration of the exposure to electrical current, the later the behavioural characteristics and reflexes return. Thus, it can be reasoned that the observed behavioural characteristics and reflexes of common carp under these electrical conditions of treatment cannot be used as an indicator for the state of consciousness. The results showed that an absence of reflexes and behaviour, plus the appearance that the fish is motionless, does not therefore correlate with the state of consciousness. A significantly higher amount of glucose and plasma cortisol in the carp exposed to an electric current was detected relative to carp stunned by a percussive method, indicating a higher stress level caused by the electrical treatment in our examinations. It can be assumed that the increased stress level was caused by an insufficient current density. Significantly higher amounts of plasma lactate in the carp treated with an electric current indicates an increase in muscle activity. The accumulation of lactate was associated with a lower initial pH-value in the muscle. However, the pH-value of the muscle measured 24 hours post mortem, does not show any significant differences between percussive and stunned carp. Furthermore, the carp stunned with electricity showed an elevation of the conductivity of meat, but no differences in colour. Externally visible lesion marks were present on carp treated by an electrical current, which appeared more frequently when the carp were placed parallel to the electrodes. Haemorrhages in the filet were found more frequently in carp treated with 150 volts; however the manifestation in the majority of fish was relatively minor. For our examination, it can be assumed that the described electrical exposure cannot result in a long-lasting loss of consciousness. It should be emphasised that an absence of behavioural characteristics and reflexes of common carp does not indicate a state of complete unconsciousness. Efforts must be made to study suitable electrical parameters for achieving an immediate and long-lasting loss of consciousness. For these examinations, the development of a computer model (in silico model) is a promising method to use in future studies, with the aim to simulate and calculate the distribution of the current density, especially in the brain of common carp. A major advantage of this model is that it would minimise the quantity of animals required for future experiments. Due to the complexity of investigating such a simulation model, only the basic prerequisites for the model were established in this present study.

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