Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo)TiHo eLib

Untersuchungen zu Einflussfaktoren auf den Antibiotikaeinsatz in Ferkelaufzuchtbeständen Nordwestdeutschlands

Der Einsatz von Antibiotika bei Tieren, insbesondere bei landwirtschaftlichen Nutztieren, steht zunehmend in der öffentlichen Diskussion. Grund dafür ist insbesondere die in den vergangenen Jahren angestiegene Anzahl von Infektionen mit multiresistenten Keimen beim Menschen, sodass Antibiotika-Therapien an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gelangen. Um aber Antibiotika langfristig als „Werkzeug“ zur Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier zu erhalten, gilt es seitens der Veterinärmediziner dafür zu sorgen, dass aus ihrem Bereich nicht noch mehr resistente Keime selektiert werden. Denn durch jede tierärztliche Behandlung sind nicht nur die Zielbakterien (= die kausale Bakterienspezies), sondern auch die kommensalen Bakterien in und auf den Tieren einem Selektionsdruck zu Gunsten resistenter Keime ausgesetzt. Im Zuge der Anstrengungen, den Selektionsvorteil resistenter Erreger so weit wie möglich zu reduzieren, gibt es mehrere Strategien, den Antibiotikaeinsatz bei Tieren, v.a. bei denen, die der Lebensmittelerzeugung dienen, zu minimieren. Um nun aber den Antibiotikaeinsatz effizient senken zu können, ist die Kenntnis und Berücksichtigung der Determinanten eines hohen bzw. eines niedrigen Antibiotikaeinsatzes pro Tier in den einzelnen Tierbeständen unverzichtbar. Daher war es Ziel dieser Arbeit, am Beispiel von Ferkelaufzuchtbeständen exemplarisch darzustellen, welche Betriebs- und Managementcharakteristika auf den landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung die Menge der eingesetzten Antibiotika pro Tier in besonderem Maße beeinflussen. Die Daten dieser explorativen Studie entstammen 39 Ferkelaufzuchtbetrieben, die alle durch dieselbe, auf die Betreuung von Schweinebeständen spezialisierte Gemeinschaftspraxis betreut werden. Die Datenerhebung zu den Betriebsstrukturen erfolgte mittels eines Fragebogens im Rahmen eines Bestandsbesuches. Die Datenerhebung zum Antibiotikaeinsatz erfolgte retrospektiv mittels Auswertung der Arzneimittel-Anwendungs- und Abgabe-Belege aus den Wirtschaftsjahren 2010/11 und 2011/12. Mit Hilfe der so gewonnenen Daten wurde schließlich für jeden Betrieb der Tierbehandlungsindex (TBI) errechnet. Innerhalb des Untersuchungszeitraumes stellten Penicilline mit 38,99 % die am häufigsten angewendeten bzw. abgegebenen Antibiotika dar, es folgten die Polypeptid-Antibiotika (19,9 %) und die Tetracycline (17,2 %). ZNS-Infektionen waren die Haupt-Indikationsgruppe (38,71 %), gefolgt von Magen-Darm-Infektionen (28,8 %) und Atemwegsinfektionen (26,97 %). Der TBI der Studienbetriebe variierte zwischen 3,42 und 37,98 und lag im Durchschnitt bei 18,76. Unter den Verabreichungsarten machte die orale Medikation über das Futter oder das Tränkwasser an ganze Tiergruppen den Hauptanteil aus. Um nun bestimmte Einflussfaktoren, die einen hohen oder einen geringen Einsatz an Antibiotika determinieren könnten, herauszufiltern, erfolgte zunächst ein Vergleich der Betriebe mit einem TBI von unter 10 mit denen, die einen TBI von über 30 aufwiesen. Danach wurden bestimmte Parameter ausgewählt, um zu zeigen, wie sich der TBI verhält, wenn man unterschiedliche „Extreme“ dieser Parameter betrachtet. Dabei stellte sich heraus, dass unter den Betrieben mit einem geringen Antibiotikaeinsatz vor allem solche zu finden waren, die im geschlossenen System arbeiteten. Außerdem wurden auf großen Betrieben tendenziell mehr Antibiotika pro Tier eingesetzt als auf kleinen. Bezüglich des Abferkel-Wochenrhythmus war zum Einen festzustellen, dass je länger die Säugezeit war, desto geringer fiel der TBI aus. Zum Anderen wurde deutlich, dass, wenn sich weniger Ferkelgruppen unterschiedlichen Alters in der Ferkelaufzucht befanden, der TBI niedriger war. Die Bewertung der Impfprophylaxe auf den Studienbetrieben ergab, dass auf den Betrieben mit einem geringeren Antibiotikaeinsatz gegen weniger Erreger geimpft wurde als auf den Betrieben mit einem hohen TBI, was u.a. im geringeren Infektionsdruck begründet liegen kann, sodass auf Impfmaßnahmen verzichtet werden konnte. Des Weiteren lagen Betriebe mit einem geringeren TBI durchschnittlich 500 m weiter entfernt von anderen schweinehaltenden Betrieben als Betriebe mit einem hohen TBI. Was die Betreuung der Ferkel angeht, so wurden die Tiere auf den Betrieben mit einem geringen Antibiotikaeinsatz nur durch eine oder zwei Personen versorgt, auf den Betrieben mit einem hohen Einsatz an Antibiotika taten dies bis zu vier Personen, wodurch eine kontinuierlich gleiche Tierbeobachtung und Gesundheitskontrolle nicht optimal durchgeführt werden kann. Die Motivation der Betriebsleiter mit einem hohen TBI war insgesamt höher als die Motivation derer mit einem niedrigen TBI. Dem entsprechend behandelten die Landwirte, die viel Zeit in der Ferkelaufzucht verbrachten, ihre Tiere durchschnittlich mehr als die Landwirte, die sich nur sehr kurz im Flatdeck aufhielten. Bezüglich des Einsatzes von homöopathischen Arzneimitteln konnte kein wesentlicher Unterschied festgestellt werden, außer dass in der Gruppe mit einem TBI von über 30 der Anteil an „Homöopathie-Betrieben“ geringfügig höher war. Die Managementqualitäten der Betriebsleiter mit einem niedrigen Antibiotikaeinsatz wurden schlechter bewertet als die der Landwirte mit einem hohen Einsatz an Antibiotika. Der Gesundheitsstatus in Beständen mit einem geringen Antibiotikaaufwand wurde durch die betreuenden Tierärzte nur geringfügig besser eingeschätzt als der in Beständen mit einem hohen Antibiotikaverbrauch. Der Hygienestatus auf den Betrieben mit einem TBI von über 30 wurde erstaunlicherweise besser bewertet als der Hygienestatus auf den Betrieben mit einem TBI von unter 10. Es zeigte sich außerdem, dass die Mortalität ein wichtiger Aspekt ist, um die Tiergesundheit zu beurteilen und um damit auch eine bessere Bewertung der Berechtigung der Höhe des TBIs vornehmen zu können. Abschließend ist zu sagen, dass der täglich die Tiere betreuende Mensch mit seinen subjektiven Entscheidungen und seinen stark unterschiedlichen Management- und Tierbetreuungsfähigkeiten der entscheidende Faktor für den Antibiotikaeinsatz zu sein scheint. So vermag z. B. eine optimale Betreuung der Ferkel durch den Landwirt durchaus hygienische oder bauliche Mängel wettzumachen. Als ein weiterer wesentlicher Parameter ist das Sicherheitsbedürfnis einiger Landwirte bezüglich der Krankheitsvorsorge zu nennen. Das bedeutet, dass die Reaktionsschwelle, ab der dem Landwirt eine antibiotische Intervention erforderlich erscheint, von Person zu Person recht stark variiert. In einigen Fällen kommt so ein unnötig hoher TBI zustande, und in anderen Fällen wird aus tiergesundheitlicher Sicht zu spät reagiert. Weiterhin ist das Bewusstwerden über die Bewertung der Höhe des Antibiotikaeinsatzes der erste und mitunter der wichtigste Schritt zu einer, auch seitens der Landwirte gewollten Minimierung des Antibiotikaverbrauchs. Ein fundiertes Wissen der Landwirte um die Problematik und die Risiken eines hohen Antibiotikaeinsatzes ist die Voraussetzung dafür, dass in weiteren Schritten Maßnahmenpläne ergriffen und effizient umgesetzt werden können, die in der Lage sind den Einsatz an Antibiotika nachhaltig zu senken, ohne eine Verschlechterung der Tiergesundheit in Kauf nehmen zu müssen.

The use of antibiotics in animals, especially in livestock animals, is more and more discussed in public. Reason for this is the increasing number of infections in humans caused by multiresistant pathogens in the last years. Therefore, veterinarians have to take care that not even more resistant pathogens might possibly be transmitted from animals to human beings. Because by any veterinary treatment of sick animals not only the target-bacteria (= the animal disease causing bacteria), but also commensal bacteria are exposed to a selection pressure for the benefit of resistant pathogens. In the course of the efforts to reduce the selection advantage of resistant microbes as far as possible, there are diverse strategies to minimize the use of antibiotics in animals, mainly in food producing animals. Thus, using the example of the production unit for weaned piglets up to the fattening period, the intention of this study was to investigate exemplarily, which farm and management characteristics do influece the amount of antibiotics used per animal on the study farms. The data of this explorative study were gathered from 39 farms rearing weaned piglets. They are all consulted by the same veterinary practice which is highly specialised in the veterinary care of pig herds. The data concerning farm organisation were collected as part of farm audits by means of validated questionnaires. The data acquisation regarding the use of antibiotics was made retrospectively by analysing the documentation of the veterinary practice about the prescription and application of drugs of two business years (2010/11 and 2011/12). Finally, using these data, the animal treatment index (ATI) was calculated for every study farm. Within the period of investigation penicillins were the most frequently used antimicrobials (38.99 %) followed by polypeptide antibiotics (19.9 %) and tetracyclines (17.2 %). Infections of the CNS were the main indication group (38.71 %) followed by infections of the intestine (28.8 %) and the respiratory system (26.97 %). The ATI of the farms participating in this study varied from 3.42 to 37.98, the average was 18.76. Oral medication of entire animal groups represented the main part among the different ways of applying antibiotic substances. To identify the main factors that presumably determine a high or a low use of antibiotics, farms with an ATI lower than 10 were compared to farms with an ATI higher than 30. Afterwards, particular parameters were chosen to show how the ATI “behaves” regarding different “extremes” of these parameters. It turned out that, among the farms with a low usage of antibiotics, there were mainly those working in closed systems. Moreover, larger farms used more antibiotics by trend than smaller ones. With regard to the farms’ farrowing production rhythm it was ascertained that the longer the suckling period lasted the lower was the ATI. Besides, it became obvious that the less piglets of different age stayed simultaneously in the same flatdecks, the lower was the ATI. As for the intensity of vaccinations, farms with a low usage of antibiotics vaccinated their pigs against fewer pathogens than farms with a high ATI. The reason for this might be a lower likelihood of infection so that the farms can obstain from certain vaccinations. Furthermore, the distance to other pig herds averaged 500 meters more among farms with a low ATI in comparison to farms with a high ATI. Regarding the care of the weaned piglets, one or two persons looked after the animals on farms with a lower usage of antibiotics, whereas up to four persons did this on farms with a higher usage of antibiotics. Thereby, a continuous surveillance of animal health cannot be conducted in an optimal way. The motivation of the responsible managers on farms with a high ATI was all in all higher than the motivation of those on farms with a low ATI. Correspondent to this, farmers spending a lot of time inside the barns medicated their piglets more often than farmers only remaining there for a short period of time. Concerning the usage of homoeopathy, no substantial difference was seen. The percentage of “homoeopathy-farms” was slightly higher among the group with an ATI higher than 30. The farm managers’ management quality on farms with a lower usage of antibiotics was assessed inferior than the management quality of farmers using plenty of antibiotics. The health status in the weaned piglet herds with a low ATI was estimated by the consulting veterinarians to be slightly higher than in herds with a high usage of antibiotics. The hygiene status of farms with an ATI higher than 30 was assessed superior than the hygiene status of farms with an ATI lower than 10. As a further result of this study the mortality was found to be a fundamental aspect to evaluate animal health and to carry out an improved assessement of the amount of the ATI. Finally it has to be said that the people caring for the animals seem to be the key factor for the amount of the used antibiotics in livestock animals. An optimal care of the piglets by the farmer is capable of compensating structural or hygienic deficits. A further important parameter is the individual safety attitude of farmers. This means that the threshold for decision to use an antibiotic medication apparently varies quite strongly from person to person. Thus, in some cases a needlessly high ATI is the consequence. Furthermore, the farmers’ becoming aware of the importance of the amount of the used antibiotics is the first and the most important step to an effective minimisation of the use of antibiotics in food animals. Only with the farmers’ knowledge about the complex of problems and riscs due to a high usage of antibiotics it can be expected that efficient measures can be implemented to reduce the use of antibiotics in food animals sustainably, without compromising their health status. 

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