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Untersuchung des Einflusses von Interleukin-10 auf den Verlauf der experimentellen Theilervirusinfektion in SJL-Mäusen

Bei der Theiler´schen murinen Enzephalomyelitis (Theiler´s murine encephalomyelitis, experimentelle Theilervirusinfektion, TME) handelt es sich um ein anerkanntes Tiermodell für die Multiple Sklerose (MS). Nach intrazerebraler Infektion mit dem Theiler´schen murinen Enzephalomyelitisvirus (Theiler´s murine encephalomyelitisvirus, TMEV) entwickeln SJL-Mäuse in der Frühphase der Erkrankung eine akute Polioenzephalitis gefolgt von einer chronisch-demyelinisierenden Leukoenzephalomyelitis mit Persistenz des Virus im Zentralen Nervensystem (ZNS). Im Gegensatz zu anderen Mausstämmen wie C57BL/6 und einigen BALB/c-Substämmen sind SJL-Mäuse nicht in der Lage, TMEV vollständig aus dem ZNS zu eliminieren. Die Ursache ihrer insuffizienten, antiviralen Immunantwort ist weitestgehend unklar, vorausgegangene Studien zeigen jedoch, dass SJL- im Vergleich zu C57BL/6-Mäusen deutlich höhere Mengen an Interleukin (IL)-10 exprimieren. Da IL-10 durch seine überwiegend antiinflammatorischen Eigenschaften einerseitshemmend auf die antivirale Immunität wirken könnte, andererseits aber immunpathologische Prozesse potentiell verhindert, war es das Ziel der vorliegenden Arbeit, den Einfluss von IL-10 auf die Immunhomöostase nicht-infizierter SJL-Mäuse (1. Versuchsteil) sowie den Verlauf der akuten (2. Versuchsteil) und chronischen Phase (3. Versuchsteil) der TME näher zu charakterisieren. Hierzu erhielten SJL-Mäuse an Tag 0, 7, 14 und 21 (1. und 2. Versuchsteil) bzw. an Tag 35 und 42 (3. Versuchsteil) nach Versuchsbeginn systemisch anti-IL-10-Rezeptor (IL-10R)-Antikörper. Tiere aus den Infektionsversuchen wurden zusätzlich an Tag 0 intrazerebral mit TMEV oder virusfreiem Trägermedium infiziert (2. und 3. Versuchsteil). Mittels klinischer Untersuchung, Histologie, Immunhistologie zum Nachweis von TMEV-, CD3-, CD45R-, Foxp3-, CD107b-, Arginase-1-, basischem Myelinprotein (myelin basic protein, MBP)- und nicht-phosphorylierendem Neurofilament (np-NF)-Antigen sowie quantitativer Polymerase-Kettenreaktion (IL-1α, IL-2, IL-4, IL-5, IL-6, IL-10, Foxp3, TNF, IFN-γ, TGF-β1 und TMEV) und Durchflusszytometrie (CD3, CD19, CD4, CD8, CD44, CD69 und Foxp3) wurde ermittelt, wie sich die anti-IL-10R-Antikörperapplikation auf das periphere Immunsystem und den Verlauf der TME auswirkt. Nach Applikation des anti-IL-10R-Antikörpers entwickelten nicht-infizierte SJL-Mäuse (1. Versuchsteil) eine progressive, lymphoplasmazelluläre, teils granulozytäre Kolitis mit konsekutiver Reduktion der CD4+ Foxp3+ regulatorischen T-Zellen (Treg) und Erhöhung des geometrischen Mittelwerts der Fluoreszenz-Intensität (gMFI, geometric mean of fluorescence intensity) von CD69 auf CD4+- und CD8+-T-Zellen und CD44 auf CD8+-T-Zellen in der Milz. Diese phänotypischen Veränderungen lassen darauf schließen, dass eine Blockade des IL-10R die Aktivierung von Effektor-T-Zellen verstärkt, die periphere Immuntoleranz stört und die Entwicklung von immunpathologischen Prozessen fördert. Die Entwicklung der Kolitis nach Applikation des IL-10R-Antikörpers ist pathogenetisch vermutlich auf eine Aufregulation der MHC-Klasse-II-Komplexe und erhöhte Zytokinspiegel mit konsekutivem Verlust der peripheren Toleranz und Etablierung einer Immunreaktion gegenüber kommensalen Mikroorganismen zurückzuführen. Zusätzlich spielen möglicherweise auch proinflammatorische Makrophagen eine Rolle in der Pathogenese. Interessanterweise führte eine zusätzliche, intrazerebrale TMEV-Infektion zu einer Verstärkung der Kolitis in der Frühphase der TME an Tag 14, ohne dass TMEV-Antigen im Darm nachweisbar war (2. Versuchsteil). Diese Exazerbation der intestinalen Erkrankung ging mit einer Aufregulation von IL-1α, IL-2, IL-4, IL-5, IL-6, TNF, IFN-γ und TGF-β1 sowie einer zusätzlichen Erhöhung des gMFI von CD69 und CD44 auf CD8+- und CD4+-T-Zellen in der Milz einher. Da die genauen Mechanismen der Interaktion von ZNS und Darm bisher unklar sind, sind weitere Untersuchungen notwendig, um zu bestimmen, ob möglicherweise virusspezifische Effektor-T-Zellen in den Darm migrieren und dort die Immunhomöostase stören. Obwohl SJL-Mäuse hinsichtlich der gastrointestinalen Manifestation sehr sensibel auf eine Immunmodulation durch anti-IL-10R-Antikörper reagierten, beeinflusste eine Applikation des anti-IL-10R-Antikörpers bei gleichzeitiger TMEV-Infektion den Verlauf der TME im Rückenmark nicht, wenn der Antikörper in der Frühphase der Erkrankung (0 bis 21 Tage nach Infektion, 2. Versuchsteil) verabreicht wurde. Allerdings führte die Verabreichung des anti-IL-10R-Antikörpers in der chronischen Phase der TME (Tag 35 bis 42, 3. Versuchsteil) bei gleichbleibender Viruslast zu einer vermehrten Infiltration von CD3+ T-Zellen in das Rückenmark, was die Annahme unterstützt, dass eine Blockade der antiinflammatorischen IL-10-Signalkaskade die zentrale Immunantwort nach TMEV-Infektion tendenziell verstärkt. Die relativ schwache und phasenspezifische Modulation der antiviralen Immunität im ZNS ist möglicherweise auf i) eine Kompartimentalisierung der Entzündung bei geschlossener Blut-Hirn-Schranke (BHS), ii) die Entwicklung eines immunologischen Erschöpfungszustandes im Verlauf der TME oder iii) die Sequestration von Entzündungszellen im entzündeten Dickdarm zurückzuführen. Weitere Untersuchungen zur Integrität der BHS bei der TME unter dem Einfluss einer IL-10R Blockade und eine direkte Applikation des anti-IL-10R-Antikörpers in das ZNS in Folgestudien könnten Aufschluss darüber geben, ob ursächlich eine mangelnde Verfügbarkeit des Antikörpers im ZNS zu Grunde liegt oder ob zusätzliche Mechanismen die Etablierung einer effektiven Immunantwort in SJL-Mäusen unterdrücken. Abschließend unterstreichen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit die Bedeutung von IL-10 für die Aufrechterhaltung der Immunhomöostase sowohl in gesunden, genetisch empfänglichen Individuen als auch bei der TME. Darüber hinaus untermauern sie die Relevanz autonomer immunpathologischer Prozesse im ZNS (Kompartimentalisierung) bei chronisch-infektiösen Erkrankungen, da ausgeprägte Imbalanzen der peripheren Immunantwort die Immunpathologie im ZNS nur marginal und phasenspezifisch beeinflussen.

Theiler´s murine encephalomyelitis (TME) is a well-recognized animal model for multiple sclerosis (MS). After intracerebral infection with Theiler´s murine encephalomyelitis virus (TMEV) SJL mice develop an early acute polioencephalitis followed by chronic demyelinating leucoencephalomyelitis with persistence of the virus within the central nervous system (CNS). In contrast to other mouse strains, like C57BL/6 and some BALB/c substrains, SJL mice are unable to eliminate the virus from the CNS. The reasons for the insufficient antiviral immunity in SJL mice are still uncertain, but former studies indicate a higher expression of Interleukin-10 (IL-10) in the brain of SJL mice compared to C57BL/6 mice following TMEV-infection. In consequence of its anti-inflammatory functions, IL-10 has the potential to inhibit the antiviral immunity on the one hand, but reduces immunopathology on the other. Therefore it was the aim of the present study to determine the influence of IL-10 receptor (IL-10R) blockade on the immune homeostasis of non-infected SJL mice (experiment 1) and the course of acute (experiment 2) and chronic (experiment 3) TME. SJL mice received systemic rat anti-mouse-IL-10R antibodies at day 0, 7, 14 and 21 (experiment 1 and 2) or at 35 and 42 (experiment 3), respectively. Animals from infection experiments (experiment 2 and 3) were additionally intracerebrally infected with TMEV or vehicle only at day 0. Clinical examination, histology, immunohistochemistry for TMEV-, CD3-, CD45R-, Foxp3-, CD107b-, arginase 1-, myelin basic protein (MBP)- and non-phosphorylated neurofilament (np-NF)-antigen as well as quantitative polymerase chain reaction (IL-1α, IL-2, IL-4, IL-5, IL-6, IL-10, Foxp3, TNF, IFN-γ, TGF-β1 and TMEV) of spleen and spinal cord and flow cytometry (CD3, CD19, CD4, CD8, CD44, CD69 and Foxp3) of spleen samples were used to determine the impact of systemic IL-10R blockade on the spinal cord and peripheral organs of non-infected and infected animals. Weekly application of anti-IL-10R antibodies led to the development of a progressive, lymphoplasmacytic to granulocytic colitis with consecutive reduction of CD4+ Foxp3+ regulatory T cells (Treg) in the spleen of non-infected SJL mice (experiment 1). Simultaneously, an increase of the geometric mean of fluorescence intensity (gMFI) for CD44 gated on CD8+ T cells and CD69 gated on CD4+ and CD8+ T cells was observed in spleen samples. These phenotypical changes in the periphery indicate an activation of effector T cells and subsequent disturbances of the immune homeostasis with development of immunopathological processes. The colitis was probably caused by an upregulation of MHC class II molecules and increased levels of proinflammatory cytokines with consecutive loss of peripheral tolerance and establishment of an immune response against commensal microbiota of the gut. Additionally, proinflammatory macrophages might also play a role in the pathogenesis of colitis. Most interestingly, additional intracerebral TMEV-infection was associated with a significantly increased severity of the intestinal inflammation at 14 days post infection (dpi, experiment 2). TMEV antigen was not detected in the intestine by immunohistochemistry, indicating a peripheral immune enhancement by CNS-restricted infection. The exacerbation of enteric disease was accompanied by an upregulation of IL-1α, IL-2, IL-4, IL-5, IL-6, TNF, IFN-γ and TGF-β1 in the spleen as well as an increase of the gMFI of CD69 and CD44 gated on CD8+ and CD4+ T cells. Further studies are needed to determine whether virus-specific effector T cells might play a role for disturbances of the enteric immune homeostasis after TMEV infection and to determine the underlying mechanisms of brain-gut interaction. Although SJL mice seemed to be highly susceptible for IL10R-deficiency mediated systemic immunopathology, early application of anti-IL-10R-antibodies (0 to 21 dpi; experiment 2) was unable to alter the disease course of acute TME. Nevertheless, administration of anti-IL-10R antibody in the chronic TME phase (35 to 42 dpi, experiment 3) led to an enhanced infiltration of CD3+ T cells into the spinal cord at 49 dpi without affecting antiviral immunity. Thus, it can be concluded that blocking of anti-inflammatory IL-10R signaling is able to enhance CNS immune responses in TME in a disease phase-specific manner. The comparatively weak and phase-specific modulation of the immune reaction in the CNS might be caused by i) a compartmentalization of inflammation within the CNS supported by an intact blood brain barrier, ii) establishment of T cell exhaustion or iii) sequestration of immune cells in the inflamed intestine. Further studies on the blood brain barrier integrity in TME and antibody delivery systems are necessary to determine whether the limited effect of antibody treatment is caused by low availability in the CNS or by additional mechanisms which prevent an effective antiviral immune response in SJL mice after TMEV infection. In conclusion, IL-10R neutralization causes a breakdown of peripheral immune tolerance in genetically predisposed mice, which leads to immune-mediated colitis, resembling inflammatory bowel disease. The hyperactive immune state following IL-10R blockade is enhanced by CNS-restricted viral infection in a disease phase-dependent manner. Moreover, findings emphasize the importance of compartimentalized CNS inflammation for TME pathogenesis, as currently discussed for MS patients.

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