Von Schafen, Bienen, Ochsen und anderm lieblichen Viehe
This research analyses the content of 60 manuscripts of veterinary pharmacology, most of which have been transliterated and edited in dissertations published since the 1930s regarding remedies for farm animals. A total of 513 remedies have been assembled for examination, 34 of which were intended for dogs, 45 for pigs, 59 for sheep and 375 for cattle. The origins of the manuscripts are 36 remedies handwritten by Master Albrant in the 13th century, which have been compiled together with countless healing instructions into larger volumes over the centuries. From the middle of the 13th century until the end of the 18th century, a period known as the “Age of Stable Masters”, horses were the primary focus of interest for veterinarians. However, remedies for other farm animals and even humans are also found in the manuscripts. In this research, the manuscripts published in dissertations were arranged and analysed in their historical order. All remedies intended for the treatment of productive livestock have been exactly copied, revealing significant differences in the quality of the methodology and age determination of the manuscripts. The dissertations published between the 1930 and 1970s in Berlin and Hanover under the supervision of Wilhelm Rieck are reliable only in terms of their transliteration. Age determination from the analysis of paper and handwriting became an additional standard only after the 1970s, allowing for a more precise assessment of their chronological and geographical origins. The research reveals that the frequency of remedies for productive livestock increased between the 16th and 18th century – a reflection of the growing significance of farm animals for veternarians during this time. The most frequent treatments for cattle, pigs, sheep and dogs were assessed according to their therapeutical value. They addressed diseases ranging from those caused by ecto- and endoparasites, internal diseases as well as diseases affecting particular organs. The narrow scope of humoral theory with botanical, mineral and chemical remedies was utilized for their treatment. Magic and superstition also played a significant role. The lack of knowledge about aetilogy and the origin of many diseases unavoidably limited the success of treatment. Remedies for treating dogs with scabies are an exception. Cures for sheep liver fluke and agalactia of cattle would at best alleviate symptoms. Accidental treatment successes, the placebo effect and the human tendency to maintain old traditions could explain why these remedies were nevertheless passed on. In order to better understand the origin and transmission of the remedies in the manuscripts of veterenary pharmacology, this research compares them to agricultural literature from ancient times and the paterfamilias literature (Hausväterliteratur) from modern times. Columella’s „De rerustica“ (circa 65 AD) and „Geoponika“ (10th century), reveal only a small resemblance to the content of the remedies assembled for consideration. By contrast, a comparison of remedies from six of the most popular paterfamilias books (Coler 1645, Böckler 1678, Becher 1698, Hohberg 1695, Glorez 1701, Florinus 1702) demonstrates considerable similarities. Moreover, the accidental discovery of an anonymous paterfamilias book from 1752 showed significant similarities with five different manuscripts (Rossarzneihandschrift). Thus, for the first time, this research substantiates the reciprocal influence of Rossarzneihandschriften and Hausväterliteratur, two literary genres with completely different means of transmission.
In der vorliegenden Arbeit wurden 60 seit den 1930er Jahren größtenteils in Dissertationen transkribierte und editierte Rossarzneihandschriften hinsichtlich ihres Anteils an Rezepten für landwirtschaftliche Nutztiere untersucht und ausgewertet. Dabei konnten insgesamt 513 Rezepte exzerpiert werden, von denen 34 für Hunde, 45 für Schweine, 59 für Schafe und 375 für Rinder gedacht waren. Die Rossarzneihandschriften haben ihren Ursprung in den 36 von Meister Albrant verschriftlichten Rezepten aus dem 13. Jahrhundert und wurden im Laufe der Jahrhunderte zu dicken Büchern mit zahllosen Heilanweisungen ergänzt und erweitert. Wie in der sog. Stallmeisterzeit von Mitte des 13. bis Ende des 18. Jahrhunderts üblich, war das Interesse der Tierheilkundigen auf das Pferd fixiert, verstreut fanden aber auch Rezepte für landwirtschaftliche Nutztiere und für den Menschen Eingang in die Handschriften. Die in Dissertationen edierten Rossarzneimanuskripte wurden nach ihrem vermutlichen Entstehungszeitraum geordnet und ausgewertet. Alle Rezepte, die sich eindeutig mit der Behandlung landwirtschaftlicher Nutztiere befassen, wurden buchstabengetreu übernommen. Dabei zeigten sich besonders hinsichtlich der Methodik der Bearbeitung und der Datierung der Handschriften starke Qualitätsunterschiede. So wurde deutlich, dass die Arbeiten der 1930er bis 1970er Jahre unter Wilhelm Rieck in Berlin und Hannover letztlich nur in der Transkription verlässlich sind. Die Überprüfung der Datierung mittels Papier- und Schriftanalyse wurde erst ab den 1970 Jahren zum ergänzenden Standard und diese Arbeiten können somit auch hinsichtlich ihrer Entstehungszeit und geographischen Herkunft exakter beurteilt werden. Bei der quantitativen Auswertung der Quellen wurde sichtbar, dass der Gesamtanteil der Rezepte für landwirtschaftliche Nutztiere vom 16. zum 18. Jahrhundert zunimmt, - ein Spiegel der zunehmenden Bedeutung der bäuerlichen Nutztiere für die Tierheilkundigen der damaligen Zeit. Zur qualitativen Bewertung der Rezepte wurden die am häufigsten dokumentierten Krankheiten der Rinder, Schweine, Schafe und Hunde ausgewählt und die Rezepte hinsichtlich ihres therapeutischen Werts untersucht. Die Krankheitspalette reicht von Ekto- und Endoparasiten über allgemeine innere Erkrankungen bis zu Erkrankungen einzelner Organe, die innerhalb der engen Grenzen der Humoraltheorie mit pflanzlichen, mineralischen und chemischen Mitteln therapiert wurden. Dabei spielten auch Magie und Aberglaube eine nicht unwesentliche Rolle. Fehlende Kenntnis um die Ätiologie und Genese vieler Krankheiten musste den Behandlungserfolg ganz zwangsläufig limitieren. Eine positive Ausnahme stellen die Rezepte zur Räudebehandlung des Hundes dar. Die Anwendungen gegen Leberegel des Schafes und die Agalaktie des Rindes milderten jedoch bestenfalls die Symptome. Dass diese Rezepte dennoch tradiert wurden, kann an zufälligen Erfolgen bzw. dem Placebo-Effekt gelegen haben oder an einem Festhalten der Menschen an „Altbewährtem“. Um der Herkunft und dem Überlieferungsweg der Rezepte für landwirtschaftliche Nutztiere in den Rossarzneihandschriften auf den Grund zu gehen, wurde ein Quellenvergleich mit der Agrarliteratur der Antike und der Hausväterliteratur der Neuzeit durchgeführt. Columellas „De rerustica“ (um 65 n. Chr.) und die Geoponika (10. Jh.) zeigen lediglich eine punktuelle inhaltliche Nähe zu den exzerpierten Rezepten. Der Vergleich mit Rezepten in sechs der prominentesten Hausväterbücher (Coler 1645, Böckler 1678, Becher 1698, Hohberg 1695, Glorez 1701, Florinus 1702) ergab hingegen einige nahezu wörtliche Übereinstimmungen. Zudem offenbarte der Zufallsfund eines anonymen Hausväterbuchs von 1752 signifikante Ähnlichkeiten zu Rezepten aus fünf verschiedenen Rossarzneihandschriften. So konnte diese Arbeit erstmalig eine wechselseitige Beeinflussung von Rossarzneihandschriften und Hausväterliteratur nachweisen, zwei Literaturgattungen mit gänzlich unterschiedlichen Überlieferungswegen.
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