Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo)TiHo eLib

Ein Beitrag zur tiergerechten Haltung der Ratte anhand der Literatur

Die ursprünglich aus den Steppengebieten Asiens stammende Wanderratte (Rattus norvegicus) gehört zu den wenigen Tieren, die einen großen Einfluss auf den Fortgang der menschlichen Geschichte gehabt haben. Als Überträger von Leptospirose, Toxoplasmose, vor allem aber über den die Pest übertragenden Ratten- oder Pestfloh, hatten Ratten maßgeblichen Anteil an den verheerenden Seuchenzügen früherer Zeiten. Während die Pest heute keine Rolle mehr spielt, verursachen Ratten weltweit große Schäden durch die Vernichtung von Nahrungsmitteln. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts werden Wanderratten verstärkt als Labortiere gehalten. Heute gehören Ratten - neben Mäusen - in der Bundesrepublik Deutschland zu den am häufigsten verwendeten Versuchstieren. Sie machen ca. 25% der insgesamt in Deutschland in genehmigten und angezeigten Tierversuchsvorhaben verwendeten Versuchstiere aus. Außerdem werden Ratten in verstärktem Maße als Heimtiere gehalten. Ziel dieser Arbeit war es, die Haltungsstrukturen für Ratten in unterschiedlichen Bereichen anhand der vorliegenden Literatur darzulegen und auf ihre Tiergerechtheit zu überprüfen. Weiterhin sollen Haltungsempfehlungen zur tiergerechten Haltung dieser Tierart erarbeitet werden. Zu diesem Zweck werden zu Beginn die Begriffe des Tierschutzgesetzes sowie ethologische Konzepte zu ihrer Umsetzung, auch im Vergleich, diskutiert. Anschließend folgt ein Abriss über die Abstammung und Laborisierung der Ratte sowie eine ausführliche Darstellung der ethologischen Charakteristika, verbunden mit dem Vergleich von Wild- und Labortier. Danach werden praxisübliche Haltungsstrukturen und gesetzliche Bestimmungen zur Haltung von Heimtier- und Laborratten dargestellt und erläutert. Unter den vier Themenkomplexen Umweltfaktoren, Ernährung, Haltungsstrukturen (einschließlich Sozialpartner) und Kontakt zum Menschen werden Angaben zur rattengerechten Haltung zusammengestellt und deren Auswirkungen auf die Gesundheit und das Verhalten der Tiere aufgezeigt. Anschließend werden die Daten zusammenfassend ausgewertet. Dabei werden Kriterien einer rattengerechten Haltung erarbeitet sowie Anregungen für weiterführende Forschung gegeben. Über die unbestimmten Rechtsbegriffe des Tierschutzgesetzes existieren - je nach Blickwinkel - sehr unterschiedliche Definitionen und Ansichten. Zur Umsetzung dieser Begriffe scheinen das Tschanzsche Konzept der Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung sowie das Buchholtzsche Handlungsbereitschaftsmodell am besten geeignet. Erwächst Ratten ein Schaden aus ihren Haltungsbedingungen, können sie ihren Bedarf nicht decken oder eine Handlungsbereitschaft nicht befriedigen, so ist eine Haltung nicht tiergerecht. Um auch das Wohlbefinden der Tiere zu gewährleisten, müssen emotionale Komponenten des Wohlbefindens wie "sicher" und "angenehm" berücksichtigt werden. Eine allgemein anerkannte Methode zur Beurteilung der Tiergerechtheit von Heimtier- bzw. Rattenhaltungen existiert nicht. In ihrem natürlichen Habitat leben Ratten in komplexen sozialen Gemeinschaften. Das hochdifferenzierte Verhaltensinventar der Ratte umfasst in Form eines Ethogramms annähernd 130 Verhaltensweisen und dient als Voraussetzung für das Erkennen von Verhaltensabweichungen. Für den Begriff "Verhaltensstörung" existiert keine allgemein gültige Definition. Die in der Rattenhaltung unter Praxisbedingungen recht selten auftretenden Stereotypien sind meist auf Haltungsfehler zurückzuführen. Die Angabe von Mindestflächen für eine tiergerechte Rattenhaltung bleibt weiterhin umstritten. Die Ausstattung einer Haltung und die Gestaltung ihrer Elemente sowie das Vorhandensein von Sozialpartnern haben erheblichen Einfluss auf den Flächenbedarf und die Nutzbarkeit der Fläche für die Tiere. Eine allein an das Tiergewicht gekoppelte Flächenzuteilung ist nicht rattengerecht. Von den bereits existierenden Ansätzen zur Abschätzung des Raumbedarfs für Labornagetiere hat sich bisher keiner allgemein durchsetzen können. Bis zur Entwicklung eines solchen Haltungskonzeptes muss die Ableitung von Mindestflächenangaben für die Rattenhaltung daher vor allem über indirekte Parameter erfolgen. Dafür eignen sich vor allem die elementaren Körperhaltungen und Grundpositionen der Ratte, der Einfluss der Besatzdichte und Käfiggröße auf die Produktion und Freisetzung von Schadgasen sowie insbesondere das Spielverhalten in Verbindung mit der soziobiologischen Gruppenstruktur.

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